17. Juni 2016

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Au weia! Was soll denn das werden?
Weil ich nichts sage, fügt sie an: „Lass sie doch mal ein paar Wochen wachsen und dann gehen wir zusammen zu meiner Freundin Celia, die ist Frisörin und macht auch Typberatung. Sie ist wirklich gut.“
„Meinst du, ich hätte ein bisschen Typberatung nötig?“, erkundige ich mich spitzfindig.
Sie schnaubt. „Reg dich ab, Jeremy, du bist ja nicht verpflichtet, ihre Tipps anzunehmen.“
„Dazu würde zumindest passen, dass mein Rasierapparat gerade verschwunden ist.“
Gleich lacht sie wieder. „Ein Wink des Himmels!“
„Ich glaube nicht, dass irgendwer im Himmel was mit dem Verschwinden meines Rasierers zu tun hat.“ Miloš lacht mit, „Eher dein irdisches Durcheinander!“
„Pass auf, worüber du dich belustigst, du nutzt den Rasierer auch!“
„Ich dachte, er rasiert sich nass?“, fragt Nieke.
Woher weiß sie das? Reden sie etwa über sowas miteinander? Hat sie nicht gesagt, dass sie ihn nicht einschätzen kann? „Ja. Am Kinn. Aber die restliche Frisur hält er mit meinem Rasierapparat in Ordnung, seit sein Vorkriegsmodell mit Holzvergaser den Geist aufgegeben hat.“
„Vorkriegsmodell mit Holzvergaser! Du klingst ja richtig belesen“, gibt er keine Ruhe.
Ich lasse mich nicht ablenken, „Es gibt Aufsetzer für verschiedene Längen, wie bei einer Haarschneidemaschine.“
„Wofür hast du so einen guten Rasierer, wenn du dir nur Ultrakurzfrisuren machst?“
„Popp hat ihn mir geschenkt. Und stell dir vor, er hat mir keine Vorschriften gemacht, wie ich auszusehen habe.“
„Jeremy! Reg dich ahab!“, leiert sie, „Ich mache dir keine Vorschriften. Es sind mal wieder bloß Tipps. Du kannst ihnen folgen oder es sein lassen.“ Sie streichelt wieder über meinen Kopf und fragt Nieke: „Was meinst du, den Bart etwas kürzer, und hier … guck, so … und da“, erklärt sie ihr, wovon ich nichts verstehe. Dann will sie wissen: „Zu welchem Frisör bist du denn sonst immer gegangen?“
„Zu keinem.“
„Nein, ich meine früher.“
„Ich sag doch, zu keinem. Ich war noch nie beim Frisör, außer wenn ich als kleiner Junge mit Mommi mitgegangen bin. Aber dann war ich Zuschauer.“(381)
„Wie ist denn das möglich? Du hattest doch nicht immer so eine Beinah-Glatze?“
„Als Junge hat Popp mir Frisuren gemacht, als ich größer wurde, war ich Langhaariger und brauchte keinen Frisör.“
„Du hattest lange Haare?“, unterbricht Merle ungläubig.
„Und wie“, mischt Miloš sich ein, der sich sichtlich gut unterhalten fühlt. „In Niekes Haarfarbe und auch ungefähr so lang. Aber nicht glatt, sondern mit Locken.“
„Oooh“, stöhnt sie lustvoll auf. „Gibt es Fotos davon?“
„Erinnere mich daran, wenn wir das nächste Mal Amalia besuchen.“
Jetzt geht die Frage wieder an mich: „Wann hast du sie abgeschnitten und warum?“
„Vor zwei Jahren gab es ein einschneidendes Erlebnis.“
Auf einmal ist die Heiterkeit aus ihrem Gesicht verschwunden. Sie seufzt: „Wieso seid ihr bloß beide auf dieselbe Frau reingefallen? Vor allem, warum hast du dich auch noch auf sie eingelassen? Du hättest doch wissen können, dass sie dir nicht gut tun würde, wenn sie bei Jeremy schon so ein Elend hinterlassen hatte.“
„Es war keine Frage der Vernunft. Ich habe nicht mit dem Kopf gedacht.“
„Immerhin bist du ehrlich.“

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