17. Juni 2016

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„Was meintest du mit dem Fuß fassen, dass es dir nicht gestattet wurde?“
„Ich hab keine Kontakte gekriegt. Alle waren immer wahnsinnig beschäftigt.“
„Wie lange bist du denn hingegangen?“
„Fast zwei Monate. So klein bin ich ja nicht, dass man mich übersehen haben könnte.“
„Du hättest es mit Mitarbeit in einem unserer Bereiche versuchen können.“
„Hab ich. Hinterher haben drei Personen mit mir gesprochen. Fiene, Winnie und Oleg.“
„Wer ist denn das?“
„Das sind die drei vom Putzteam.“
„Du warst im Putzteam?! Warum bist du nicht ins Anbetungsteam gegangen, das hätte doch viel besser gepasst?“
„Man hat mich nicht gelassen.“ Ich merke, dass ich immer knapper und unfreundlicher antworte, aber ihr Erstaunen nervt mich. Ich hab mir das doch nicht ausgedacht!
„Ich kann das kaum glauben, Jeremy. Einen so vielseitig begabten Menschen wie dich … meinst du nicht, dass du etwas missverstanden hast?“
„Ich bin zum Anbetungsleiter hin und habe ihm gesagt, dass ich neu bin und mitmachen will. Vor allem, weil der Trommler den Takt nicht kriegte. Das hab ich natürlich nicht gesagt, das wäre ja ziemlich arrogant gewesen. Er hat mich an den Dings verwiesen … wie hieß der noch … hab ich vergessen, und der hat mich zur Fiene geschickt. Was daran sollte ich missverstanden haben?“
„Willst du es vielleicht jetzt noch mal versuchen? Du kennst ja jetzt mehr Leute.“
„Nee. Gerade heute Mittag haben Miloš und ich beschlossen, dass wir in der VKR bleiben. Jetzt muss es die Zwaagse Straat ohne mich aushalten.“
Sie sagt nichts und die Stille senkt sich wieder herab.


zweihundertdrittes Kapitel

Nach einer langen Weile fragt sie vorsichtig: „Bist du schlecht gelaunt?“
„Ich? Nein, wie kommst du drauf?“ Wie könnte ich beim Segeln schlechte Laune haben? Es ist Juni, die Sonne scheint, es ist prachtvoll hier draußen!
„Du bist so … schweigsam.“
„Ich segle.“
„Ich dachte nur, wegen deiner Erfahrungen in meiner Kirche und dann auch noch, dass du nicht mit Miloš in Urlaub fahren kannst.“
„Es gibt zwar Leute, die das behaupten, aber ich muss mein Mundwerk nicht dauernd in Bewegung halten.“
„Entschuldige“, sagt sie und schweigt ihrerseits eine Weile, bis sie fragt: „Ich hoffe, ihr hattet noch nichts gebucht?“
Jetzt scheint es, dass sie immer zurückhaltender wird, als hätte meine Kurzangebundenheit sie verschreckt. Meine Güte, sie soll sich mal nicht so anstellen. „Nee, buchen ist nichts für uns. Wir wollten dem Pfad des grünen Mannes folgen.“
„Was ist denn das?“
„Ganz einfach. Du bist in einer Stadt und könntest rechts oder links über die Kreuzung gehen. Links wird’s zuerst grün, also gehst du links. Du weißt nicht, wo du ankommst, aber lustig wird es bestimmt.“
„Der grüne Mann ist das Ampelmännchen!“, lacht Merle, die in der Zwischenzeit aufgewacht sein muss. „Das klingt ja nach einer Mischung aus Indianer und Marsmenschen! Wer hat sich denn diesen Blödsinn einfallen lassen?“
„Ich war es nicht“, beteiligt Miloš sich am Wachsein.
Stimmt, fällt mir auf, das Sägen hat schon vor einer ganzen Weile aufgehört. Wie lange sie uns wohl belauscht haben?
Merle erhebt sich und schafft es, das sehr anmutig aussehen zu lassen. Eins ihrer großen Geheimnisse. Wenn ich vom Boden aufstehe, sieht das aus wie bei einer Giraffe am Wasserloch. Dann bleibt sie neben Nieke stehen und fragt: „Was hattet ihr vor in Schweden?“

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