16. Juni 2016

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„Richtig. Es war allerdings Verona, nicht Rom.“
„Aber beides ist in Italien!“
„Und das bei deinen Geografiekenntnissen!“, grinst Miloš.
„Warum, sind die nicht so bedeutend?“, will Nieke wissen.
„Eher ziemlich unbedeutend. Er hat Bosnien und Österreich für Nachbarländer gehalten! Ich will gar nicht wissen, was er sonst noch über die Welt denkt.“
„Bosnien ist aber auch ein Sonderfall“, nimmt Merle mich zur Abwechslung mal in Schutz. Sie kommt mit einer emaillierten Kanne mit Gänsemotiv(375) zur Spüle und ich lasse solange meine Arbeiten ruhen.
Das hört er nicht gern, man sieht es sofort. „Was meinst du mit Sonderfall?“
Sie erklärt: „Als wir alle noch zur Schule gegangen sind – da kriegt man ja seine Allgemeinbildung – war das ein Stück von Jugoslawien. Ein ziemlich unbedeutendes Stück, um deine Worte zu verwenden. Und Jugoslawien grenzte an Österreich.“ Derweil hat sie die Stängel angeschnitten, die Blumen in die Vase gesteckt und mit Wasser aufgefüllt. Sie geht um die Säulen herum und stellt die Blumen auf den Tresen.
„Hast du das also auch geglaubt?“
Gleichermaßen stellt sie Gläser und Getränke hin. „Wenn ich gewusst hätte, wo Bosnien ist, hätte ich das ganz sicher geglaubt.“
Besondere Bekenntnisse erfordern besondere Taten. Ich gehe zu ihr hin, fasse ihr Gesicht und knutsche sie auf die Wange.
„Nimm deine Pfoten von meiner Freundin!“, plustert er sich auf.
Sie strahlt. Dafür bekommt sie noch einen Schmatzer auf die andere Wange.
„Hast du das gesehen?“, wendet er sich empört an Nieke.
„Es war nicht zu übersehen. Du solltest ihm Grenzen aufzeigen.“
„Ich habe Hemmungen. Er ist mein bester Freund.“
„Wie lange noch?“, fragt sie trocken.
Auf einmal grinst er. „Ich mache es anders. Ich warte, bis er eingeschlafen ist. Das passiert ja recht häufig, wenn du dabei bist.“
„Ein Schweigegelübde innerhalb unseres Männerhaushalts wäre vielleicht angebracht!“
„Wenn du aufhörst, meine Freundin zu küssen, wird keins nötig sein.“
„Ich erinnere gerne an die Köchin in dem Yugo-Restaurant in Alkmaar, die du angeblich zum Dank geküsst hast!“
Er weiß es noch genau. „Das war eine rein fachliche Anerkennung!“
„Das hat ihr Mann aber ganz anders gesehen!“ Weil er es nicht längst getan hat, gehe ich zum Angriff über und klemme mir seinen Kopf unter den Arm. Er wehrt sich, kommt aber nicht frei. Heute ist der Feiertag für all die Rachepläne, die ich nie umsetzen konnte! Er kriegt eine Kopfhaut- und Ohrenmassage, bis man den ganzen Raum beheizen könnte.
Aufgeben ist dennoch keine Option für ihn. „Deine wilde Knutscherei soll eine fachliche Anerkennung gewesen sein?“, schnauft er. „Du weißt doch gar nicht, worüber du sprichst, du Geografieversager!“
„Werkzeugpfeife!“
„Bildchengucker!“
Merle trennt uns und hält uns mit ausgestreckten Händen auf Abstand. „Ist gut, Jungs. Außerdem, was hat mein stolzer Niederländer mit Bosnien zu schaffen?“
Er wischt sich den Schweiß vom puterroten Gesicht und ordnet seine Frisur. „Du hast recht, Liebste. Lasst uns über wichtigere Dinge reden. Zum Beispiel über Jeremys sträfliche Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht gegenüber dem Gummibaum.“
„Um den du dich in den letzten zehn Monaten, die wir nun schon zusammen wohnen, durchaus hättest kümmern können“, werfe ich ein.
„Ist es meiner oder ist es deiner?“

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