16. Juni 2016

645

„Danke“, lache ich. „Allerdings gibt’s jetzt ein Problem: ich hab keine Vase.“
„Keine Vase?“ Merle kann das nicht glauben. „Überhaupt keine?“
„Warum sollten wir Blumenvasen haben?“, lacht Miloš, „Das hier ist ein Männerhaushalt!“
Ich ergänze: „Du kannst den Putzeimer nehmen, aber guck dich um, vielleicht findest du was besseres.“ Ich habe ja keine große Ahnung von Blumen, aber die hier sind gut. Die meisten blühen orange.
Gleich fängt sie an, die Fächer zu inspizieren.
Nieke guckt ihr belustigt zu. „Immerhin hat euer Männerhaushalt eine Zimmerpflanze.“ Sie weist zum Gummibaum, der sein kümmerliches Dasein auf der Fensterbank fristet.
„Ja. Aber ich weiß gar nicht, wie der das seit Jahren überlebt. Entweder ich vergesse ihn zu gießen oder er muss schwimmen lernen.“ Dabei fällt mir etwas ein: „Du kennst dich doch damit aus. Wie geht man mit so einem Ding um?“
„Warum sollte ich mich mit Gummibäumen auskennen?“
„Du arbeitest doch mit Pflanzen?“
„Nein.“
Merle wendet sich vom Sortiment des Geschirrschranks ab. „Ihr habt Stunden miteinander verbracht und wisst nicht, was der andere arbeitet? Worüber redet ihr die ganze Zeit?“
„Sie hat von ihren Kollegen und dem Chef erzählt und vom Junior und den ganzen Leuten. Und da geht es um Pflanzen. Also denk ich doch, dass sie sich damit auskennt.“
Nieke räuspert sich übertrieben. „Kann das sein, dass du da was durcheinander bringst? Ich bin bei „Bloembergs“, das ist eine Pflanzengroßhandlung. Insofern geht es um Pflanzen, ja. Sozusagen sind sie das Hauptgeschäft. Aber deswegen muss ich mich ja nicht mit Pflanzen auskennen. Ich arbeite im Büro. In der Exportabteilung.“
„Ach so.“ Bevor ich in weitere Untiefen gerate, befasse ich mich lieber mit Dingen, von denen ich mehr Ahnung habe. Dem Essen. Ich bürste Kartoffeln ab und setze sie auf, dann hole ich rote, gelbe, grüne Paprika, grüne, gelbe Zucchini und Auberginen aus der Gemüsekiste, wasche und putze sie.
Miloš sieht das. „Jeremy, bitte! Du willst doch nicht etwa dieses Zeug ins Essen tun?“ Er zeigt vorsichtig auf die Auberginen, als könnten sie sonst nach seinem Finger schnappen. Aus Respekt vor meinen Kochkünsten (und seinem allgemeinen Anstand) hat er versucht, sie wie alles andere zu essen und irgendwann Geschmack dran zu finden, aber Auberginen sind das einzige Gemüse, dem er nichts abgewinnen kann.
„Doch“, lache ich. „Aber du darfst „dieses Zeug“ auf dem Teller lassen.“
„Oder du gibst sie mir“, bietet Merle an. „Die Exportabteilung ist übrigens der Grund, warum sie ungefähr so ein Fremdsprachengenie ist wie du.“
„Welche sprichst du denn?“
Nieke zählt auf: „Deutsch, english, français, italiano e um pouco de português.“
Der alte Angeber sagt was italienisches zu ihr, in dem molto bello vorkommt, das heißt sehr gut(373) und ist demnach veoma dobro. Darauf antwortet sie mit einem mir unverständlichen Satz. Miloš ist er wohl auch unverständlich. „Das ging jetzt ein bisschen schnell“, grinst er. Zu Merle sagt er: „Und was Fremdsprachengenies betrifft, kannst du dich ja auch bald eins nennen.“
„Warum?“, will Nieke wissen.
„Jeden zweiten Tag haben wir Fremdsprachentag. Entweder sie redet nur englisch mit mir oder ich nur serbisch mit ihr. So lernt jeder das, was er nicht kann.“
„Interessantes Modell. Aber welcher Fremdsprachentag ist dann heute?“
„Keiner. Gisterday is de day English to speaken. А сутра ћемо учити српски језик.“(374)
Sein Englisch kann man ohne den Zusammenhang nicht verstehen und auf serbisch könnte er uns sonst was erzählen, niemand kann es nachprüfen. Ich nehme das Gespräch wieder an mich: „Und wegen der Exportabteilung warst du vor ein paar Wochen mit dem Junior in Frankfurt und Rom.“

Keine Kommentare: