16. Juni 2016

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Nach einer Weile sagt er: „Wir haben ja eigentlich über etwas anderes gesprochen, nämlich ob wir unsere Liste mit den Kirchen weiter abarbeiten. Ich würde gerne bleiben.“
„Gute Idee. Vergessen wir unsere Liste. Schön, dass du dich auch dort wohl fühlst.“
„Ich glaube, gewisse Leute haben ein bisschen nachgeholfen. Benji war ja mehrmals im Krankenhaus, aber Reinout hat mich auch besucht.“
„Wer ist denn das?“, unterbreche ich.
Kopfschüttelnd stellt er fest: „Dein Namensgedächtnis ist nicht wert, Gedächtnis genannt zu werden. Reinout ist der Pastor.“
„Aha. Also, er hat dich im Krankenhaus besucht. Warum hast du nichts davon erzählt?“
Er hebt die Schultern. „Ich weiß es nicht mehr, vielleicht kam etwas dazwischen. Jedenfalls hat er mich eingeladen zu einem Glaubensgrundkurs. Da lernt man wichtige Dinge über Jesus, Gott, die Bibel, und hinterher kann man sich zur Taufe anmelden.“
„Geht das nur, wenn man einen Kurs besucht hat?“
Er grinst. „Das habe ich beinahe als erstes gefragt. Aber man kann sich auch ohne Kurs zur Taufe melden. Eigentlich wollte er dich auch noch einladen, aber ich habe ihm gesagt, dass das unnötig ist. Erstens bist du ja getauft und zweitens … du bist lang genug mit Jesus unterwegs, dass du keinen solchen Kurs brauchst, denke ich. Sein Vater kannte übrigens deinen Popp und Amalia. Es fühlt sich seltsam an, dass so viele Leute ihn gekannt und geschätzt haben und ich höre nur die Geschichten. Ich hätte ihn gerne auch kennen gelernt.“
Eine Weile ist es still zwischen uns.
Ich denke an Theodorus’ Worte: „Wer einen Willem van Hoorn zum Freund hat, braucht sich vor nichts zu fürchten.“
Wenn ich Theodorus glauben soll …
Glaub es.
Also, wenn er recht hat …
Hat er. Sprich es aus, ermuntert er mich. Ein gesprochenes Wort hat mehr Macht als eins, das du nur denkst.
„Mein Name ist Jeremy Willem van Hoorn“, setze ich an.
„Donnerwetter, dein Namensgedächtnis funktioniert ja doch!“, lacht er.
Ich wische das mit einer Handbewegung weg. „Mein Name ist Jeremy Willem van Hoorn. Ich bin dein Freund und du brauchst den Willem van Hoorn nicht.“
Gut gemacht!
Miloš schaut mich lange an. „Ja. Entschuldige bitte, du hast recht. Ich brauche ihn nicht.“

Erst als wir zuhause ankommen, sagt er wieder etwas: „Weißt du übrigens, dass die VKR die Heimatgemeinde von Niekes Familie ist?“
„Na klar. Ich bin ein paar mal öfter dort gewesen als du.“
„Weißt du, in welche Gemeinde sie jetzt geht?“
„Wir haben zwar mal Leute aus ihrer Kirche getroffen, aber ich hab nicht nachgefragt.“
„Wahrscheinlich hast du gepennt“, lacht er.
„Ts“, mache ich. „Das tu ich nur, wenn wir alleine sind.“
„Du tust schlafen tun?“, zieht er mich auf.
„Ts!“ Ich gehe in mein Zimmer und ziehe mich um, danach suche ich die Küche auf, um mal ausführlich über die nächste Mahlzeit nachzudenken. Gebackene Kräuterforelle wäre fein. Dazu Pellkartoffeln und irgendwelches Gemüse.
Miloš steht mittendrin, breitbeinig, und telefoniert serbisch. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass es geschellt hat.
Es geht hin und her, offenbar gibt es zwei sehr gegensätzliche Ausgangspunkte in dieser Diskussion. In so einem Fall gestikuliert er(372) und benimmt sich endlich südeuropäisch, nicht so kühl und beherrscht wie sonst.
Weil ich jetzt ein paar Mal durch den Raum gehe, lehnt er sich an den Kühlschrank.
Auf einmal fragt er: „Willst du mit Sloba reden?“
„Nein“, sage ich knapp.

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