16. Juni 2016

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„Du siehst jetzt, wo du krank geschrieben bist, gesünder aus als neulich, als du nicht krank geschrieben warst“, sagt Sammy zu ihm.
„Ich fühle mich auch gesünder“, sagt er. „Es geht bergauf mit mir. Das ist gut zu wissen.“
„Und dann ist er auch noch verknallt“, gebe ich meinen Senf dazu.
„Noch eine Herzensangelegenheit!“
„Kennen wir die Dame?“
„Ich glaube nicht. Ihr werdet sie beim Auftritt sehen, sie ist unsere Sängerin. Aber sie will auch nächste Woche hierhin mitkommen. Heute hatte sie etwas anderes zu tun.“
„Ist sie so sportlich wie du?“, will Alannah wissen.
„Nein.“ Er lächelt übers ganze Gesicht. „Sie findet Sport anstrengend. Sie hat so eine schöne kurvenreiche Figur wie du. Sie ist wunderbar.“
„Und dich hats voll erwischt“, stellt Benji fest.
Zugleich stellt Alannah etwas anderes fest: „Hast du gehört, ich habe kein Übergewicht, sondern eine schöne kurvenreiche Figur.“
„Sagt er, du wärst zu dick?“, springt Miloš gleich darauf an.
„Du brauchst meine Frau nicht zu verteidigen“, grinst Benji. „Sie ist einfach ein bisschen zu klein für ihr Gewicht.“
„Das ist genauso uncharmant.“
„Nein, es sind Tatsachen“, lacht sie. „Und ich weiß, er liebt mich mit allem, was ich habe.“


hundertneunundneunzigstes Kapitel

Als wir uns wieder auf dem Heimweg befinden, sagt er irgendwann: „Wir wollten jeder Kirche drei Monate Zeit lassen, bis wir uns entscheiden. Hältst du das für sinnvoll?“
„Was meinst du damit?“
„Kann man sich nach drei Monaten für oder gegen eine Gemeinschaft entscheiden, vor allem, wenn man so unregelmäßig da ist wie ich? Wenn drei Monate aus zwölf Sonntagen bestehen, dauert es bei mir viel länger als bei dir, bis ich zu einer Entscheidung kommen kann. Oder muss. Oder soll.“
„Ich verstehe die Frage nicht. Worauf willst du hinaus?“
„Bei den russischen Brüdern lag der Fokus auf dem Wort. Die Bibel, Gottes Wort, ist das Wichtigste. Ich sehe das auch so, es ist unfassbar viel Weisheit drin, niemand wird es je bis ins Detail begreifen. Und Gott hat uns das Wort gegeben, damit wir uns damit beschäftigen. Das ist in der VKR nicht so und ich vermisse es. Aber vielleicht gibt es noch mehr Interessierte, die sich unter der Woche treffen. Sie werden ja nicht alle so oberflächlich wie Michelle glauben.“
„Oberflächlich? Michelle? Wie kommst du denn darauf?“
„Sie meint tatsächlich, dass die Bibel zu vielen Dingen der heutigen Zeit gar nichts sagen würde! Ich habe ihr aber gesagt, dass in der Bibel Antworten auf alle Fragen des Lebens zu finden sind. Es muss so sein, schließlich hat Gott sie uns als Leitfaden gegeben. Ich kann nicht verstehen, wie sie zweifeln kann.“
Ich wusste, dass wir eines Tages an diesem Punkt ankommen würden. Miloš ist so ein Typ, dem die Bibel alles ist. Ich habe diese Diskussion schon einige Male geführt und bin auf alles vorbereitet, denn beinahe jedes Mal endete sie im Streit – ist ja auch klar, da es um emotionale Dinge geht. „Und ich kann nicht verstehen, wieso du sie deswegen oberflächlich nennst. Bloß weil du anders darüber denkst als sie.“
„Aber sie irrt!“
„Nein. Du irrst.“
Entsetzt schaut er mich an. „Du glaubst das auch?! Du hast so viel darin gelesen, du kennst Gott total gut, wie kannst du das behaupten?!“
„Eben“, sage ich. „Ich habe viel darin gelesen, ich kenne Gott total gut. Deswegen weiß ich, dass die Bibel zu vielen Themen des heutigen Lebens nichts sagt. Oder Antworten liefert, die überhaupt nicht aktuell sind. Oder willst du es dir so einfach machen, dass man in dem Fall seine Fragen den Antworten anpassen soll?“

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