16. Juni 2016

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Als wir in der VKR eintreffen, stehen Alannah und Michelle schon auf der Bühne und singen; Benji ist am Mischpult zugange. Alle Tätigkeiten werden mit unserem Eintreten unterbrochen. Sie freuen sich, dass es ihm schon wieder so gut geht.
Miloš setzt sich in eine der Stuhlreihen, aber als Alannah die Gitarre nimmt, damit Benji sie einpegeln kann, hält es ihn dort nicht mehr. „Geh auf die Bühne“, sagt er und übernimmt die Arbeit an den Reglern.
Kurz darauf erscheint Mark. Nachdem er alle begrüßt hat und Miloš’ wiedererstandene Gesundheit lobt, geht er auf die Bühne, wo er die Gitarre auspackt und stimmt. Dann stöpselt er das Kabel ein, Miloš findet den Kanal, aber wir kommen nicht dazu, mit der Musik zu beginnen, weil als nächstes Sammy und der Tontechniker, dessen Namen ich mir nicht merken kann, den Raum betreten. Das Begrüßen und Schön-dass-du-wieder-da-bist geht erneut los.
Ich schaue zur Uhr. „Disziplin, Leute“, rufe ich sie auf. „Wir haben noch zehn Minuten. Alle auf ihre Plätze, Klappe halten, Konzentration!“
Willig fügen sie sich meinen Anweisungen, ich zähle vor, wir spielen das erste Lied an, das zweite, das dritte, derweil beginnt sich der Raum mit Gottesdienstbesuchern zu füllen.
Manchmal habe ich den Eindruck, sie wollen nicht frei sein, sondern eine Autorität über sich haben. Erstaunlich, dass sie ausgerechnet mich dafür auserkoren haben. Ich bin ja als letzter dazu gekommen und außerdem kein Anführertyp.

Gegen Ende unserer Anbetungszeit passiert etwas Ungewöhnliches. Als Mark die Gitarre ausstöpseln will, geht Alannah zu ihm hin und spricht leise mit ihm. Daraufhin sagt er ins Mikrofon: „Wir haben das Gefühl, wir sollten nicht aufhören. Der Heilige Geist hat einigen von uns was zu sagen. Wir spielen so lange weiter, bis er alles ausgerichtet hat.“
So etwas habe ich in meiner ganzen „Kirchenerfahrung“ noch nicht erlebt. Viele Leute sagen, sie würden dem Heiligen Geist alle Freiheit einräumen, die er haben will – aber wehe, er will das vorbereitete Programm umwerfen!
Nach einer reichlichen halben Stunde verlassen wir schließlich die Bühne, als hätten wir uns abgesprochen, dabei hat keiner was gesagt.
Der Pastor (mit dessen Namen ich auch noch Probleme habe, ebenso wie mit der Mehrzahl der Kirchenbesucher) dankt uns und sagt, dass er seine Predigt beim nächsten Mal halten wird. Hat vielleicht jemand gerade was ausgerichtet bekommen oder in der letzten Zeit was mit Jesus erlebt, das er mit den anderen teilen möchte?
Ich bin eben erst von der Bühne verschwunden, aber ich gehe gleich wieder hin. Der Pastor gibt mir sein Mikrofon.
„Ich wollte euch danken“, sage ich. „Vor zwei Wochen war ich völlig am Ende, mein bester Freund Miloš war im Koma. Ihr habt für uns gebetet und jetzt geht es uns beiden wieder gut, wie man sicher auch sieht. Euer Gebet war kein oberflächliches Bittebitte, damit ich den Mund halte und ihr eure Christenpflicht erfüllt habt. Ich habe gespürt, ihr macht mein Anliegen zu eurem Anliegen. Meine Not zu eurer Not. Das war sehr … warm. Vielen Dank.“
Im Applaus gebe ich dem Pastor das Mikro zurück. Andere Leute kommen vor und erzählen ihre Erlebnisse; es sind viele. Fast immer geht es darum, dass Gott ihnen gesagt hat, dass er sie liebt, dass er sie trösten will, manchmal auch, dass er sie ermahnt, mit einem Menschen Frieden zu schließen oder sich mit unerfreulichen Umständen abzufinden. Und auch wenn die Gottesdienstzeit überschritten wird, darf jeder seine Geschichte erzählen.

Hinterher stehen wir Musiker noch eine Weile zusammen. Ich weiß nicht, ob etwas dran ist, aber es kommt mir vor, als würde der Pulk um uns nach jedem Gottesdienst größer.
Mir fällt etwas ein: „Meine Band hat übrigens Ende des Monats zwei Auftritte beim Sommerfest der Stadt Zuyderkerk. Ihr hattet ja gesagt, ich soll Bescheid sagen.“
„Kann da jeder hinkommen?“
„Na klar. Es ist eine öffentliche Veranstaltung.“
Merle hat am Computer Flyer gestaltet, die sie mir als Emailanhang zugeschickt hat(370) und die ich am nächsten Tag in der Schule (in der Pause) ausgedruckt, kopiert und zugeschnitten habe. Das ist zwar nicht so schön wie professionell gedruckt, aber immerhin hat man was zum Verteilen. Miloš hat welche im Jackett und gibt sie heraus.

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