„Jetzt gehst du aber wirklich vom schlimmsten Fall aus, he?“, belustige ich mich.
„Ein Koma reicht mir.“
„Und du meinst nicht, dass Gott dich davor bewahren wird?“
„Diesmal hat er mich auch nicht bewahrt. Dreiundvierzig Stunden und siebzehn Minuten im Koma sind genau dreiundvierzig Stunden und siebzehn Minuten zuviel. Er hat mich aufwachen lassen, ja. Aber er hätte es so machen können, dass ich gar nicht erst hinein komme.“
„Du hättest es so machen können, dass die Geschichte nicht so schlimm werden musste.“
„Na klar. Das musste dringend noch mal gesagt werden.“
Jetzt ist die Stimmung nicht mehr lustig. Ich gehe die restlichen Einkäufe wegräumen.
hundertachtundneunzigstes Kapitel
Derzeit haben Lisanne und Zoran Besuch von seinem Bruder Svetislav. Wenn beide zur Arbeit sind, schaut er sich die Gegend an, ansonsten entlastet er Zorans und fördert Lisannes sprachliche Hirnabteilungen.
Gestern stand jedoch etwas anderes auf seinem Programm. In aller Frühe hat er Miloš(368) bei uns abgeholt und zum Einbürgerungstest gebracht.
Danach haben die beiden Zoran von der Arbeit abgeholt und in einem Balkanrestaurant die neue Staatsangehörigkeit gefeiert – denn natürlich hat er bestanden! Was sonst?
Abends sind alle (und Merle) zu uns gekommen und wir haben weiter gefeiert.
Und heute sind wir auf dem IJsselmeer und Miloš darf tun, was nach Zorans Aussage jeder zweite Niederländer bei Schönwetter tut: segeln. Die übrigen Niederländer haben kein Schiff, deswegen tun sie dann andere Sachen am Wasser. Als er gestern diese These verbreitete, habe ich ihn gefragt, was die Kroaten bei Schönwetter tun, aber er sagt, dass in Kroatien immer schönes Wetter ist, sodass sie dann einfach weiter ihrem Alltag nachgehen. Kroatien scheint mir so eine Art gelobtes Land zu sein.
Heute Abend treffen wir uns zur ersten Bandprobe seit über einem Monat. Die Mädels haben auch die kommenden Samstage (die Dienstage sowieso) zugesagt, das ergibt sechs Termine, und in der Zeit werden wir irgendeine bühnentaugliche Form erlangen.
Wenn ich vor einigen Wochen gesagt habe, dass seine Musik weder Donner noch Drummel hätte, gibt es gute Nachrichten. Man hört und sieht es, dass er zu alter Form zurück findet. Die Kondition ist noch nicht wieder voll da – kein Wunder, aber er schafft es schon wieder, die Mädels mit seinem Bass voranzutreiben. Einmal rauscht er mir sogar davon, ich muss ihn bremsen. Spaßeshalber erkläre ich ihm die Funktion des Rhythmuskorsetts. Es soll die Melodie stützen. Wie der Name schon sagt, ist es ein Korsett und keine Hängebrücke. Obwohl wir zwei Pausen einlegen, sind wir sehr produktiv. Und die Musik und das Musizieren macht auch wieder so viel Freude wie früher.
„Wo hast du meinen Rasierapparat hingelegt?“, frage ich durch die offene Küchentür. Miloš deckt den Tisch.
„Auf die Ladestation, wo er hingehört.“
„Aber da ist er nicht!“
„Vielleicht musst du mal aufräumen.“
Dafür ist jetzt keine Zeit, also muss ich unrasiert aus dem Haus gehen.(369) Wir fahren nämlich gleich in den Gottesdienst; Miloš will unbedingt hin. Letzte Woche ist er noch zu schwach gewesen, aber in den vergangenen Tagen hat er große Fortschritte gemacht.
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