16. Juni 2016

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In der Warteschlange an der Kasse fragt er: „Wie war es gestern mit Nieke? Du bist ja ziemlich spät nach Hause gekommen.“
Ach ja richtig, da gibt es noch was zu klären. „Hört auf, mich zu verkuppeln, klar? Bloß weil ihr zusammen seid, müssen nicht alle übrigen Leute auch beziehungsverrückt sein.“
„Verkuppeln? Wir haben doch gar nichts gemacht“, verteidigt er sich.
„Doch. Blöde Andeutungen. Letzte Reihe, dunkles Kino. Ich soll mal an Abba denken. Und so. Ich kann da echt drauf verzichten, weißt du.“
„Aber sie ist doch toll? Ihr mögt euch, sie ist hübsch, in deiner Größe, musikalisch, sie glaubt, was du glaubst, sie kann Grenzen akzeptieren … besser gesagt: sie registriert die Grenzen, ohne dass man es ihr sagen muss … sie wird ganz sicher weder deinen Dienstag noch deinen Sonntag verplanen … was hast du gegen sie?“
„Nix. Ich will halt einfach keine neue Beziehung.“
„Nie mehr?!“
„Quatsch. Später irgendwann schon. Aber jetzt nicht.“
„Warum nicht?“
„Darum nicht.“
„Was ist denn zwischen Sloba und dir vorgefallen?“
„Geht dich nichts an.“
„Dann erzähl mir, wie es gestern Abend mit Nieke war.“ Er legt die Waren aufs Band.
„Sehr lustig. Aber leider war ich total müde. Ich bin im Kino eingeschlafen und hinterher auch fast noch mal. Deswegen hat sie mich von Hoorn aus mit dem Auto heimgebracht, sie wollte nicht, dass ich im Zug einschlafe und dann ganz woanders aufwache.“(367)
„Ist dir mal aufgefallen, dass du ständig einschläfst, wenn du mit ihr zu tun hast?“
„Na ja, ständig ist ja nun auch übertrieben“, wende ich ein.
„Oft“, korrigiert er sich. „Warum eigentlich? Du hättest mehr von der gemeinsamen Zeit, wenn du wach wärst.“
Ich hebe die Schultern. „Ich such mir das nicht aus. Es passiert halt so.“ Und es ist gut, dass es passiert! Er hat zwar recht, ich hätte mehr von der gemeinsamen Zeit, aber es ist ein gutes Zeichen. Ich fühle mich bei ihr geborgen. Sie strahlt Ruhe aus. Bei Sloba wäre an all das nicht zu denken gewesen.

Als wir wieder zuhause sind, verzieht er sich als erstes aufs Sofa.
„Geht’s dir schlecht?“, frage ich aus der Küche, wo ich die Einkäufe wegräume.
„Nein. Ich hätte bloß nicht gedacht, dass ein Einkauf so anstrengend sein kann. Aber es ist gut. Ich muss mich fordern, darf mich aber nicht überfordern. Die goldene Mitte finde ich nur, wenn ich es ausprobiere.“
„Welch weise Erkenntnis“, lästere ich.
„Stell dir vor, das habe ich mir nicht selber ausgedacht, das sagt Dr. Karthalis, mit dem ich gestern Morgen noch ein Gespräch hatte. Übrigens, was hältst du davon, wenn ich mir noch ein Tattoo stechen lasse?“, wechselt er das Thema.
„Was habe ich denn damit zu tun, ob du dir noch ein Tattoo stechen lässt?“, wundere ich mich und gehe nun doch in den Wohnraum. „Außer, du willst dir meinen Namen irgendwo hinstechen lassen … vielleicht auf die Arschbacke. Da wäre ich dann dagegen.“
Er lacht. „Ganz so schlimm wird es nicht kommen, keine Sorge. Nein, ich habe mit Dr. Karthalis über das Medikament gesprochen, das mich ins Koma befördert hat. Leider weiß er nicht, welches das war, sie haben eine Mischung aus mehreren verwendet, als sie die vielen Löcher in der Herzscheidewand bemerkt haben. Da reichte die lokale Betäubung nämlich nicht mehr aus. Ich habe ihn gebeten, Allergietests durchzuführen, damit ich einen Ausweis bei mir tragen kann, falls ich noch mal operiert werde und den Ärzten nicht vorher Bescheid sagen kann. Aber er sagt, er will mein Immunsystem nicht gerade jetzt auf die Probe stellen, ich soll mich in einem halben Jahr noch mal melden. Dabei ist mir eingefallen, dass so ein Ausweis verloren gehen kann. Ein Tattoo nicht.“

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