16. Juni 2016

637

Prüfend mustere ich ihn. Wahrscheinlich hat er recht. Und für einen, der sonst jeden Tag Sport gemacht hat, ist es hart, auf einmal Stubenhocker zu sein. Besonders, wenn der Körper signalisiert: mir geht’s gut! Ich will raus!
„Du kannst hinterher zu Merle gehen.“
„Danke“, sagt er und strahlt gleich wieder.
„Wegen Radfahren und deinem Sport fragst du bitte am Montag den Kardiologen.“
„Ja.“
„Bringt Merle dich hin?“
„Nein, sie hat keine Zeit, aber ich frage Zoran. Oder Benji.“
„Weißt du eigentlich, dass ich wegen dir eine Wette verloren habe?“
„Nein. Worum ging es und mit wem hast du gewettet?“
„Mit Grietje. Ich habe gesagt, dass du nach zehn Tagen aus dem Krankenhaus kommst, schließlich hattest du versprochen, dich an die Anweisungen zu halten. Sie hat gesagt, in spätestens einer Woche wirst du dich selbst entlassen. Du hast sie sogar noch unterboten.“
„Oh“, macht er. „Das tut mir leid. Was ist denn der Wetteinsatz? Vielleicht kann ich dir dabei helfen, wenn ich nun schon dran schuld bin, dass du verloren hast.“
„Ich muss ihr eine Überraschung machen. Mir fällt leider gar nichts überraschendes ein.“
„Ich denke darüber nach.“

Nach dem Essen räumt er die Küche auf und ich vervollständige den Einkaufszettel, dann packe ich Taschen und Beutel zusammen, er darf den Sack mit den leeren Pfandflaschen tragen und wir zotteln los.
Im Supermarkt sind die Rollen klar verteilt: Miloš schiebt den Wagen. Wir haben das schon andersrum ausprobiert, aber es funktioniert nicht, denn er lädt nur ein, was auf dem Einkaufszettel steht. Wenn da aber Zwiebel steht, denke ich drüber nach, ob zuhause noch Knoblauch ist. Will ich was kochen, in dem Frühlingszwiebel vorkommt? Brauchen wir Schnittlauch? (und so weiter) Ich habe versucht, ihm diese logischen Einheiten nahezubringen, aber er hat andere Denkmuster.
In der Getränkeabteilung ist er auf einmal verschwunden, der Wagen steht alleine da. Ich stelle einen großen Sechser Mineralwasser hinein und warte ab, vielleicht ist ihm etwas eingefallen. Denkmuster hin oder her, das kommt vor.
Hinter mir höre ich Glasflaschen aneinander klirren, so wie wenn jemand einen Kasten Bier trägt. Ich gehe beiseite. Aber es ist kein anderer Kunde, es ist Miloš, der den Kasten trägt! Er ist vor Anstrengung rot im Gesicht, ich springe hin und nehme ihm die Last ab.
„Was willst du mit dem Bier?“, frage ich.
„Was macht man mit Bier?“, gibt er schnaufend zurück.
Ich starre ihn an. „Das ist nicht dein Ernst! Du fängst jetzt nicht mit Biertrinken an?!“
„Nein, ich nicht. Aber du. Ich glaube, ich bin fertig mit dem Alkohol. Aber wenn ich nicht in Versuchung kommen kann, kann ich nicht lernen, ihr zu widerstehen.“
„Gut. Dann nehmen wir erst mal nur ein paar Flaschen mit.“ Ich entnehme vier und bringe den Kasten zurück.
Miloš folgt mir, „Warum?“
„Weil wir sie tragen müssen. Und du trägst keinen ganzen Kasten oder den restlichen Einkauf bis nach Hause.“
„Okay.“
„Bist du dann mit Merle zusammen, um der Versuchung widerstehen zu lernen?“
Jetzt starrt er mich an. Plötzlich fängt er schallend an zu lachen! Andere Kunden schauen zu uns her. Ich habe den Witz nicht verstanden. „Warum lachst du?“
Er schnappt nach Luft. „Oh Jeremy, wie machst du das bloß? Du denkst so verrückt, dein ganzer Kopf muss voll sein mit urkomischen Sachen! Stell dir vor, ich liebe sie! Deswegen bin ich mit ihr zusammen!“

Keine Kommentare: