15. Juni 2016

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Ich nicke. „Wie lange … wie lange wird das dauern?“
Er holt tief Luft. „Ich weiß es nicht. Ich darf Ihnen keine Hoffnungen machen. Es kann nach einem Tag vorbei sein, es kann Wochen dauern. Es ist kein sehr tiefes Koma, aber … niemand kann sagen, wie lange er darin verweilen wird.“

Nachdem wir uns auf dem Flur verabschiedet haben, weicht das letzte Bisschen Kraft von mir; ich sinke auf dem Fußboden zusammen. Wochenlang?! Jesus, bring ihn zurück. Bitte. Lass ihn ganz bald wieder aufwachen. Ich will das nicht, dass er wochenlang hier rumliegt und danach alles anders ist, weil sein Körper nicht mehr funktioniert und sein Kopf vermutlich auch nicht mehr so wie früher. Bitte, Jesus.
Ich weiß nicht, wie lange ich da kauere und völlig fassungslos bin. Irgendwann spricht mich jemand an: „Geht es Ihnen nicht gut?“
Ich schaue auf. Da steht eine Krankenschwester. Weil sie wohl annimmt, dass ich ihre Frage nicht verstanden habe, wiederholt sie: „Geht es Ihnen nicht gut?“
Das ist absurd. Miloš ist im Koma! Niemand weiß, wann er wieder aufwacht und ob überhaupt. Wie soll es mir gut gehen? Aber das war nicht Inhalt der Frage. Allerdings habe ich keine Antwort für sie. Wortlos rappele ich mich auf und verlasse die Station.

Auf dem Weg nach draußen finde ich ein Kartentelefon und wähle.
„Van Wieringen.“
„Merle“, fange ich an und kann nicht weiter sprechen.
„Jeremy, was ist los?“
Ich muss mich wieder auf den Fußboden setzen. Zum Glück ist das Kabel vom Telefonhörer lang genug. „Kannst du mich abholen?“
„Wo, zuhause?“
„Nein, in Amsterdam.“
„Was machst du denn in Amsterdam?“
„Wegen Miloš … er ist … wegen dem Herz …“ Ich kriege keine Luft mehr.
Sie spricht ganz langsam und deutlich: „Jeremy. Wo in Amsterdam bist du?“
„Im Krankenhaus … im VUmc.“
„Hör gut zu: Geh zum Haupteingang und warte da auf mich. Verstanden?“
„Ja.“
„Gut. Ich beeil mich. Ganz ruhig, Jeremy, ich bin gleich bei dir.“
„Wer redet in deiner Wohnung?“
„Jennice sind zu Besuch, aber die können nach Hause gehen oder alleine da sitzen bleiben. Ich fahr sofort los.“

Ich weiß nicht, wie viel Zeit verstreicht nach dem Telefonat, aber irgendwann ist sie da, wartet gar nicht, bis ich aufgestanden bin und nimmt mich in den Arm, drückt mich an ihren großen weichen Kuschelbusen(352) und hält mich lange fest. Sie streichelt über meinen Kopf und sagt mir liebe Dinge, dass schon alles gut werden wird, schließlich glauben wir alle, dass Jesus uns nie verlässt.
Sie verfrachtet mich in ihre fahrende Schuhschachtel und brettert heimwärts.
Unterwegs versuche ich, die Ereignisse einigermaßen der Reihe nach zu erzählen, aber ich verliere immer wieder den Faden und kann mich nicht konzentrieren. Ausnahmsweise liegt das nicht an ihrem Fahrstil. Als Zuyderkerk schon in Sichtweite ist, fragt sie: „Willst du mit zu mir oder soll ich dich zu deiner Mommi bringen?“
„Ich will zur Mommi.“
„Ist gut“, sagt sie.

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