Mehrfach.
Endlich kommt Arjen in knitteriger Schlafshorts und ebenso knitterigem Gesicht nach unten. „Wahrscheinlich ist es dringend“, sagt er anstelle einer Begrüßung.
„Ja, ist es. Kannst du uns bitte nach Hoorn zum Krankenhaus fahren? Miloš ist zusammengebrochen.“
Das lässt ihn wach werden. „Natürlich. Ich ziehe mich eben an. Du solltest auch noch was an deinem Äußeren tun.“ Er zupft an meinem T-Shirt, „Da stimmt was nicht.“
Ich stelle fest, dass ich es links herum angezogen habe und vorne ist hinten. So ungefähr fühle ich mich. Ich behebe das Durcheinander.
Bis Arjen hereinkommt, habe ich in der Bäckerei angerufen und für Miloš abgesagt, auch für morgen; außerdem habe ich mich vollständig angezogen. Gemeinsam schaffen wir ihn ins Auto; er meckert zwar, ist aber zu schwach um sich zu wehren.
Während der Fahrt sagt keiner von uns ein Wort. Erst als wir in Hoorn vor dem Krankenhaus angekommen sind, fragt Arjen: „Ist das okay, wenn ich nicht mit rein komme und euch stattdessen nachher wieder abhole?“
„Ja, ist es. Danke fürs Fahren“, sage ich. „Ich ruf an, wenn wir hier fertig sind.“
Und dann geht das Warten los. Und das Beten.
Erst sitze ich eine halbe Stunde in der Ambulanz, bis die Ärzteschaft sich organisiert hat und festgestellt hat, wer zuständig ist.
Dann verbringe ich endlos viel Zeit vor diversen Untersuchungszimmern. Wahrscheinlich wird er durchleuchtet, untersucht, angezapft und abgeklopft.
Als man das von der Uhrzeit her verantworten kann, rufe ich Mommi an. Sie verspricht zu beten, dass die Ärzte die Ursachen für seine Beschwerden finden. Sie erinnert mich auch daran, dass ich etwas essen muss.
Nachdem ich ein Frühstück in mich gezwungen habe, rufe ich Lisanne an, die ja seit ein paar Wochen in Hoorn wohnt. Sie kommt her und betet gemeinsam mit mir.
Leider hat sie eine Verabredung und verlässt mich nach einer knappen Stunde.
Was, wenn es was schlimmes ist?
Aber was sonst als was schlimmes kann es sein? Es wird schlimm sein, denn er schleppt es seit Wochen mit sich herum und hat sich nicht drum gekümmert! Die wenigsten schlimmen Sachen lösen sich von selbst auf! Von wegen, das ist von alleine gekommen, es geht von alleine! Im Nachhinein könnte ich ihm eine Ohrfeige nach der nächsten verpassen. Was für ein Egoist! Wie kann er mir das nur antun?
Je länger die Untersuchungen dauern, desto mehr nimmt meine Angst zu.
Endlich geht die Tür auf. Aber es ist ein Arzt, der heraustritt. „Herr van Hoorn?“, fragt er.
„Ja“, sage ich.
„Ihr Freund möchte Sie beim Diagnosegespräch dabei haben. Kommen Sie bitte.“
Ich betrete das Zimmer. Drinnen steht weißes Zweckmobiliar mit vielen Kabeln, Schläuchen und Anzeigetafeln herum. Auf einer Liege hockt Miloš mit freiem Oberkörper und putzt sich hellgrünes Ultraschall-Gel von der Brust. Jetzt schaut er auf. In seinem Blick ist keine Regung, nichts. Sollte es jemals Gefühle gegeben haben, sind sie fest weggesperrt.
Der Arzt stellt einen zweiten Stuhl vor seinen Schreibtisch und lässt sich dahinter nieder.
Miloš setzt sich neben mich und ich unterdrücke den Impuls, seine Hand zu fassen.
Wie durch Watte höre ich den Arzt erklären, dass er beim Ultraschall ein Loch in der Herzscheidewand festgestellt hat. Er zeigt auf seinem Computer ein paar Fotos von der Untersuchung, auf denen hellere und dunklere Schatten zu sehen sind.
Loch in der Herzscheidewand.
Im Herz.
HERZ!
Popp ist wegen einer Herzkrankheit gestorben.
Noch mal halte ich das nicht aus. Ich will nicht! Jesus, hilf mir! Ich schaffe das nicht!!
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