Die Woche verstreicht wie die vergangene.
Die Bandprobe fällt aus, zum einen, weil meine beiden besten Freunde sich erbittert anschweigen, und zum anderen, weil Miloš in elender Verfassung ist. Ich glaube, der Streit belastet ihn zusätzlich. Aber ich kann ihm nicht helfen, er redet nicht mit mir.
Und dabei verbringt er doch viel mehr Zeit als sonst zuhause! Steven erwischt ihn nämlich in fünf Tagen zweimal hinterm Verkaufstresen und schickt ihn fort.
Meine Woche fühlt sich trüb und zäh an. Irgendwie hatte ich geglaubt, mit Sloba Schluss zu machen würde meinen Alltag entspannen. Na ja, vielleicht dauert es auch noch ein paar Tage, bis die Erkenntnis sich durchsetzt.(349)
hundertsiebenundachtzigstes Kapitel
Freitags komme ich erst spät aus der Schule raus. Grietje hatte ihre Kurzwoche und nachdem die Kinder weg waren, hatte ich noch einigen Papierkram zu erledigen.
Zuhause liegt ein Zettel auf dem Tisch, auf dem eine Treppe mit Pfeil nach oben gemalt ist. Das heißt, der Mitbewohner ist in seinem Zimmer und vermutlich tut er, was er in letzter Zeit recht häufig tut: schlafen.
Aber hatte er nicht davon gesprochen, lange arbeiten zu müssen? Wieso ist er dann schon hier? So irrsinnig spät bin ich nicht!
Ich ersteige die Treppe und öffne seine Zimmertür einen Spalt.
„Du kannst reinkommen“, sagt er.
„Wieso bist du schon hier?“
„Steven wollte eigentlich, dass ich einer neuen Aushilfe Einblick in meinen Arbeitsalltag vermittle. Er hat mich mal wieder nach Hause geschickt.“
„Wann kapierst du es endlich?“, entfährt es mir. „Lass dich krank schreiben und kurier dich aus!“
„Jeremy, wir haben darüber gesprochen, du kennst meine Meinung“, blockt er ab.
Ja, ja, ich weiß. Es ist von alleine gekommen, es soll von alleine gehen. Jesus ist für Sünde und Krankheit gestorben. Ja, ja, ja.
Ich bin sauer, weil er so stur ist und wütend, weil er nicht auf mich hört und habe außerdem furchtbare Angst um ihn. Morgen will er nämlich schon wieder arbeiten gehen. Schließlich ist es ja sein Arbeitswochenende! Stevens Firma wird pleite gehen, wenn er nicht hinter der Theke steht und sich den Rest Gesundheit ruiniert! Ach was, die Welt wird untergehen!
Hatte er mir nicht geschworen, mich niemals verlassen zu wollen? Wie will er das machen, wenn er noch vor dem Zweiunddreißigsten den Löffel abgibt?
hundertachtundachtzigstes Kapitel
Ungewöhnlich früh werde ich wach. Viertel vor sechs. Viel zu früh; es ist Samstag! Vielleicht hat Miloš mich geweckt. Seltsam, das passiert sonst nie. Vor allem bin ich nicht verpennt, sondern völlig klar im Kopf. Sehr ungewöhnlich.
Ich verfolge anhand der Geräusche, die er in unserem hellhörigen Haus produziert, wo er sich gerade befindet und was dabei tut. Jetzt geht er raus auf die Terrasse und zieht sein Fahrrad aus dem Ständer. Das dürfte es gewesen sein mit den Geräuschen, er ist weg.
Ich will mich umdrehen und weiterschlafen, als es scheppert und kracht und danach Stille herrscht. Hat er mein Fahrrad umgeschmissen? Ich steige aus dem Bett, gehe in sein Zimmer und schaue aus dem Fenster.
Oh Gott! Er liegt da, das Fahrrad auf ihm! Er rührt sich nicht!! So schnell habe ich selten Hemd und Hose angezogen und bin nach unten gerannt. Barfuß laufe ich nach draußen, hebe das Fahrrad auf, stelle es beiseite und helfe ihm auf. Er ist benommen, murmelt aber schon sein übliches „Geht gleich wieder.“
Ich schleppe ihn zum Sofa. „Bleib gefälligst hier, bis ich wiederkomme.“
Er stöhnt nur.
Wahrscheinlich hat er sich beim Sturz weh getan, aber das ist mir jetzt egal.
Ich gehe nach nebenan und will die Terrassentür öffnen. Sie ist noch zu. Ach ja, Viertel vor sechs. Samstag. Also laufe ich ums Haus herum und klingele.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen