Mit dieser Frage habe ich gerechnet. Ich gehe weg, denn ich will seine Ausflüchte nicht mehr hören.
Mitten im Raum spricht mich ein junger Mann an. „Hallo, ich bin John. Meine Oma will mit dir sprechen, aber sie ist fast blind. Kommst du mit zu ihr?“
„Klar“, mache ich überrascht und wir gehen zu der alten Frau, die noch immer in ihrer Stuhlreihe sitzt. Jemand hat ihr eine Tasse Kaffee gebracht, jetzt ist sie leer und als wir ankommen, nimmt John sie mit.
„Setz dich hier neben mich“, sagt sie.
Ich lasse mich nieder. Sie trägt eine rote Bluse zu ihrem geblümten Rock, am auffälligsten ist aber ihr Gesicht. Bevor sie so viele Falten kriegte, war sie sicher eine äußerst attraktive Frau. Nein, eigentlich ist sie immer noch sehr schön.
„Du wunderst dich vielleicht, warum ich dich habe rufen lassen.“
„Ein bisschen. Wir haben uns ja bisher nicht kennen gelernt.“
„Ich habe dich beobachtet“, sagt sie.
„Oh. Ähm, wie geht das, wenn die Augen nicht mehr wollen?“
Sie lächelt. „Ich habe nicht mit den Augen geguckt, sondern mit dem Herzen. Man kann bei deinem Trommelspiel hören, dass du unseren Herrn Jesus sehr lieb hast.“
„Danke. Was haben Sie gesehen, als Sie mit dem Herzen geguckt haben?“
Sie lächelt noch mehr. „Du brauchst nicht Sie zu mir zu sagen. Ich bin für alle in der Kirche Oma Floortje, also auch für dich.“
„Danke, Oma Floortje. Ich heiße Jeremy Willem.“
„Ich weiß. Du bist der Jeremy, der in der neuen Band von unserer Nieke trommelt.“
„Woher wissen Sie – woher weißt du das?“, frage ich verblüfft. Oma Floortje ist Niekes Oma, die, die nächtelang gebetet hat, als Nieke noch nichts mit Jesus am Hut hatte? Wow.
Sie streckt die Hand aus und streichelt meine Wange, als sei das Antwort genug. Und irgendwie ist es das auch. Wahrscheinlich hat Gott es ihr erzählt.
„Du bist ein guter Mann. Gesegnet sollst du sein.“
Mehr als „Danke“ fällt mir nicht ein.
Benji tritt zu uns. „Hallo Oma Floortje“, begrüßt er die alte Dame respektvoll.
„Ist das der Benji?“, fragt sie lächelnd.
„Ja, genau“, bestätigt er.
„Geht es deinem Vater wieder besser?“
„Ja, danke.“ Und mich fragt er: „Kommst du mit?“
Wie soll ich mich verabschieden? Hand geben ist zu unpersönlich, Küsschen und Umarmung zu vertraulich.
„Geh nur mit ihm, Jeremy, wir können uns ein andermal weiter unterhalten“, sagt sie und tätschelt freundlich meine Hand.
„Tschüss, Oma Floortje.“
„Tschüss, Jeremy.“
Sofort will Benji wissen: „Woher kennst du Oma Floortje? Du hast doch gesagt, dass du hier keinen kennst?“
„Das ist einen Monat her! Außerdem spielt ihre Enkelin in meiner Band.“
„Warum hast du mir nichts davon gesagt?“
„Weil ich es erst gerade erfahren habe. Nieke hat mir von ihrer Oma erzählt, aber sie hat keinen Namen genannt. Und sie hat auch nicht gesagt, dass das hier die Heimatgemeinde ihrer Familie ist.“(348)
„Es müsste ja Johns Schwester sein, aber ich weiß gar nicht, wie die aussieht. Also Katy und Phipsi kenne ich, aber demnach hat er ja drei Schwestern. Hm, wusste ich gar nicht.“
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