13. Juni 2016

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Bis auf das T-Shirt an mir. Es ist mittelblau und das ist eine Erwähnung wert, denn ich bin einer der wenigen Männer, die kein blau mögen. Von Jeans abgesehen(342) trage ich nie blaue Sachen. Leider ist es auch ein bisschen kurz. Bauchfrei, huch! Und warum habe ich es angezogen? Wo kommt es her, es lag doch gestern nicht im Wohnzimmer herum? Leider kann ich mich nicht mal dran erinnern, es überhaupt angezogen zu haben. Wahrscheinlich war ich nicht lange wach. Na ja … wach … wach genug, um einen Schrecken zu kriegen, aber sonst!
„Kannst du dich schneller beeilen? Ich muss furchtbar dringend!“
„Einen kleinen Moment noch!“
Oh Jesus, lass es wirklich ein kleiner Moment sein, ich platze gleich!
Jetzt geht die Tür auf, sie huscht komplett angezogen und mit einem Handtuch-Turban auf dem Kopf hinaus.
Endlich!
Ich habe mich kaum losgelassen, als sie von außen klopft. „Jeremy, entschuldige, dass ich störe. Ich habe vergessen zu fragen, willst du duschen? Nimm dir ein großes Handtuch aus dem Regal. Und du kannst meine Duschgels verwenden, nimm einfach, was dir gefällt.“

Sie ist schon in der Küche und pfeift ein Liedchen, das mir bekannt vorkommt. Bevor ich über den Titel nachdenken kann, hört sie auf. „Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?“
„Glaub schon.“
„Was möchtest du denn zum Frühstück haben?“
Eine der schwierigsten Fragen unter der Morgensonne. Ich hebe die Schultern.
„Okay, gehen wir es einzeln durch. Kaffee oder Tee?“
„Kaffee.“
„Brötchen, Müsli, Brot?“
„Ähm …“
„Später mehr dazu. Süß oder herzhaft?“
„Weiß nicht.“
„O-Saft oder Multivitamin?“
„Äh … mach einfach irgendwas.“
„Wie, irgendwas? Du musst doch wissen, was du zum Frühstück magst?“
Wahrscheinlich gucke ich überfordert, denn sie sagt: „Aha. Es sieht nur so aus, als wärst du wach. Gib mir Lebenszeichen, wenn du es auch bist.“
Noch einer der Vorteile unserer WG. Wir kennen uns lang genug um zu wissen, was der andere gern isst. Und das bleibt so. Wir haben ja keine Hormone, die uns einmal im Monat befehlen, plötzlich ganz andere Sachen essen zu wollen. Bei Helena war das schlimm. Kurz nach Vollmond ist sie immer zum Werwolf geworden, überall musste Fleisch drin sein, am liebsten halb roh.

Ihr Küchentisch ist klein, deswegen breitet sie das Angebot auf dem Herd aus. „Steh nicht so herum, dafür ist es zu eng“, sagt sie und markiert meinen Platz mit einer Tasse Kaffee.
Ich hole mir Milch dazu.
„Zucker?“
Ich schüttele den Kopf.
Jetzt lässt sie sich mir gegenüber nieder und stößt unterm Tisch an meine Knie. „Hoppla. Da ist es auch eng.“ Sie nimmt die Bibel vom Bord und schlägt sie auf. „Ich lese jeden Morgen ein Kapitel in der Bibel. Gerade bin ich in den Psalmen. Soll ich vorlesen?“
Ich nicke.
„Psalm sechzehn. Von David. Bewahre mich, Gott, denn ich berge mich bei dir! Ich habe zum HERRN gesagt: „Du bist mein Herr; es gibt kein Glück für mich außer bei dir.“ An den Heiligen, die auf Erden sind, an den Herrlichen ist all mein Wohlgefallen. Zahlreich sind die Schmerzen derer, die einem anderen Gott nachlaufen; ich werde ihre Trankopfer von Blut nicht spenden und ihre Namen nicht auf meine Lippen nehmen. Der HERR ist das Teil meines Erbes und mein Becher; du bist es, der mein Los festlegt. Die Messschnüre sind mir gefallen auf liebliches Land; ja, mein Erbteil gefällt mir. Ich preise den HERRN, der mich beraten hat, selbst des Nachts unterweisen mich meine Nieren. Ich habe den HERRN stets vor Augen; weil er zu meiner Rechten ist, werde ich nicht wanken. Darum freut sich mein Herz und jauchzt meine Seele. Auch mein Fleisch wird in Sicherheit ruhen. Denn meine Seele wirst du dem Scheol nicht lassen, wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Grube sehe. Du wirst mir kundtun den Weg des Lebens; Fülle von Freuden ist vor deinem Angesicht, Lieblichkeiten in deiner Rechten immerdar.“

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