13. Juni 2016

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„Hast du etwa schon wieder Hunger?“
„Nee. Aber ich kann dich ja nicht dauernd schicken für ein Bier.“
„Durch den Flur links. Äh, nein, rechts“, verbessert sie sich eilig und präzisiert: „Die Tür steht angelehnt. Glaub ich.“
Ich gehe in den hinteren Teil des Flurs, „Hier ist keine Tür angelehnt.“
„Rechts!“
„Sicher?“ Ich will ja nicht gleich in ihrem Schlafzimmer stehen!
„Ja!“
Die Küche ist klein und aufgeräumt. Der Mitbewohner wäre hier völlig unterfordert. Ich finde den Kühlschrank und darin eine Flasche Bier. Und daneben auf der Spüle schon zwei leere. Oh! Das ist mir gar nicht so viel vorgekommen.

Wieder im Wohnzimmer eröffne ich: „Ich kriege noch eine Antwort von dir. Warum wolltest du im Coec nichts zum Inhalt der Wette sagen?“
„Das ist kein guter Themenwechsel.“
„Komm schon. Ich hab dir auch das mit dem Versprechen erzählt.“
„Trotzdem.“
„Na los.“
„Nein, Jeremy Willem van Hoorn, es tut mir leid, ich kann es dir nicht sagen. Ich bitte um einen weiteren Themenwechsel.“
Woher weiß sie meinen Zweitnamen? Und ihre Absage war wie die Absage einer Dame im Historienfilm, erst recht weil sie meinen vollen Namen genannt hat. Ich muss es akzeptieren, alles andere würde den Abend endgültig versauen.
Ich schaue zur Uhr, es ist halb elf. „Wollen deine Nachbarn ein bisschen Musik hören?“ Ich weise zur Gitarre hin.
„Nein. Aber wir können Klavier mit Kopfhörer spielen.“ Sie schaltet das E-Piano an und setzt sich auf die eine Hälfte des breiten Hockers. Weil ich mich nicht neben sie setze, klopft sie auf das rote Polster.
„Lass mal. Das wird nicht besser, wenn ich mitmache.“
Erstaunt dreht sie sich zu mir um. „Aber du bist doch so musikalisch!“
„Falsch gedacht. Ich hab keine Ahnung vom Klavier. Mein Instrument ist das Schlagzeug.“
„Und du singst und spielst Gitarre.“
„Ja, aber ohne großen Ehrgeiz.“
„Dann nimm das“, sie gibt mir einen dicken Kopfhörer und verbindet ihn mit einem Spiralkabel. „Was möchtest du hören?“
„Spiel einfach, wonach dir ist.“
Sie setzt ebenfalls Kopfhörer auf, blättert in den Noten und fängt an.
Ich bin längst nicht so gebildet wie sie glaubt, daher habe ich keine Ahnung, was sie da spielt. Es sind ganz einfache Melodien, aber es klingt toll. Ich mache es mir gemütlich.
Frieden kehrt ein.


hundertvierundachtzigstes Kapitel

Ich wache auf, weil mir kalt ist.
Oh Gott, ist das peinlich! Sie spielt mir was auf dem Klavier und ich schlafe ein! Ich gucke auf die Uhr, es ist kurz nach drei. Ich nehme den Kopfhörer ab. In der Wohnung ist es dunkel und still. Genauer gesagt ist im ganzen Haus kein Mucks zu hören.

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