13. Juni 2016

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Ich horche am Holz und zupfe die Saiten. Dann klemme ich sie mir unters Kinn und streiche mit dem Geigenbogen über die vier Saiten. Es klingt schief und sägt, aber manchmal kriege ich auch einen klaren Ton zustande. Es sind diese kleinen Erfolgserlebnisse, die einen beim Üben nicht aufgeben lassen.
Meine Aufmerksamkeit wird abgelenkt von einem Dings, das ich im ersten Moment gar nicht zuordnen kann. Es muss ein Instrument sein – aber was für eins? Es ist ein Kasten von vielleicht vierzig Zentimetern Länge und halber Breite. Oben drauf sind Saiten und Tasten und eine metallene Scheibe, über die die Saiten geführt sind. Am einen Ende des Kastens sind die Saiten wie bei einer Gitarre befestigt. Am anderen Ende ist eine Kurbel. Ich nehme das Gerät aus dem Regal und drehe die Kurbel. Die bewegt die Metallscheibe, die darüber gespannten Saiten vibrieren und mit den Tasten wird die Tonhöhe bestimmt. Genial! Wer denkt sich denn so etwas aus? Ich versuche gleich mal ein einfaches Liedchen zu spielen, was gut klappt, wenn man davon absieht, dass es schrecklich eiert, weil ich zu unregelmäßig kurbele.
„Ich habe sie in der Bretagne gekauft. Der Bauplan ist seit dem Mittelalter gleich.“ Sie steht wieder im Türrahmen, ich weiß nicht, wie lange schon. Sie hat das Kleid ausgezogen und trägt jetzt stattdessen einen Rock mit weißer Bluse. Die Spängchen hat sie heraus genommen und sich einen langen Zopf geflochten. Den Schmuck trägt sie noch.
„Sehr cooles Teil. Was ist das?“
„Eine Drehleier.“
Darauf hätte ich kommen können! Man dreht und es leiert! „Bring sie mal mit zur Probe.“
„Vielleicht. Magst du auch noch ein Glas Wein?“
„Lieber ein Bier.“
„Warum hast du eben beim Essen keins genommen? Das hatte mich eh’ gewundert.“
„Irgendwie dachte ich, das passt nicht. Weißt du, in so feiner Umgebung bin ich oft … ähm … na ja.“ Ich lege die Instrumente zurück in ihr Regal.
„Macht nichts. Und du hast Glück, es steht sogar im Kühlschrank.“ Sie holt die Getränke und wir gehen zum Sofa, wo ich mein Jackett und den Schlips ausziehe und am Hemd ein paar Knöpfe öffne. Hier ist viel Platz(338), trotzdem setzt Nieke sich in den Sessel.
Ich will gerade meine Frage zur Wette wiederholen, als es klingelt.
„Das ist später Besuch“, wundere ich mich und krempele auch den rechten Ärmel hoch.
„Vielleicht ein Nachbar, den ich zugeparkt habe“, sagt sie und geht zur Tür.
„Du Schlampe! Dir kratz ich die Augen aus! Đero gehört mir! Ich habs gewusst, dass ihr nicht nur essen geht!“
„Sloba, bitte, ich habe doch nichts – aua! Was fällt dir ein?“
Ich stelle mein Glas weg und gehe zur Tür. Nieke versteckt sich hinter mir.
„Ich habs gewusst!“, giftet sie mich an, „Von wegen, ihr geht nur essen! Du Scheißkerl! Miko wollte es ja nicht glauben, aber das sag ich ihm!“
„Sloba, du wirst jetzt genau zwei Dinge tun. Erstens entschuldigst du dich bei Nieke und zweitens haust du ab, oder ich vergesse meine guten Manieren.“
„Wie schöne Worte du auf einmal machen kannst! Gibs doch zu, dass du mit dieser Hu–“
Ich fasse ihr Kinn und drücke den Mund zu, so fest, dass sie mich erschrocken anstarrt und zur Wand ausweicht, aber ich lasse nicht locker. „Ich will dich heute Abend nicht mehr sehen und schon gar nicht mehr hören. Verstanden?“, fauche ich sie an. „Wir unterhalten uns morgen.“ Ich schubse sie aus dem Wohnungsflur und schließe die Tür hinter uns.
Nieke sinkt schnaufend gegen die Badezimmertür.
„Viel Spaß noch!“
So schnell habe ich noch nie eine Tür geöffnet. Mit letzter Beherrschung halte ich meine Hände bei mir. „Verschwinde. Sofort.“

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