3. Juni 2016

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Rijeka ist eine Stadt in Kroatien. Es ist an der Adria, und seit März kenne ich eine ganze Menge Leute aus der Gegend, denn Zoran stammt von da. Es ist das Ziel vom einen der beiden Kroaten, die in Stuttgart zugestiegen sind. Der andere steigt schon in München aus. Als Ausgleich gesellen sich da zwei Frauen zu uns, die in ein Städtchen bei Novi Sad möchten, das ist in Serbien. Sie fahren bis Slavonski Brod mit uns. Das ist zwar ein Umweg von fast hundert Kilometern für uns, aber was tut man nicht für zufriedene Mitfahrer!(322)
Miloš bittet ausdrücklich darum, dass sie unser Profil in der Mitfahrzentrale besuchen und positive Bewertungen hinterlassen. Je positiver die Bewertungen der Passagiere sind, desto eher melden sich die nächsten Mitfahrer bei uns und nicht einem anderen, der vielleicht einen Euro weniger nimmt für den Kilometer, aber als unfreundlich beschrieben wird.
Der München-Kroate erledigt die Bewertung sofort auf seinem Smartphone, denn dann muss er später nicht mehr daran denken.
Zum Glück sprechen alle unsere Fahrgäste auch deutsch, denn nach dem ersten großen Halt unserer heutigen Reise gibt es für Miloš kein Halten mehr. Er schläft ein.


hundertsechsundsiebzigstes Kapitel

Sollte ich eines Tages Enkelkinder haben, dürfen sie mich gerne nach dieser Fahrt fragen. Aber bis dahin werde ich über Einzelheiten schweigen.
Es war eine Tortur. Aber ich habe es geschafft, ich habe den Kroaten von Stuttgart nach Rijeka gebracht, die Serbinnen von München nach Slavonski Brod und uns von Zuyderkerk nach Peckovar. Es ist kein Unfall passiert und wir hatten kaum Stau.
Und mir graust schon jetzt vor der Heimfahrt.
Mein Nacken und der überwiegende Teil des Rückens ist ein einziges hartes Brett, ich kann den Kopf fast nicht mehr bewegen, alles tut unglaublich weh. Dijana macht mir schon nachts, als wir endlich angekommen sind, die ersten heißen Wickel, sie verabreicht Magnesiumgranulat gegen Muskelverhärtungen und ich muss bitteren Kräutertee trinken, von dem mir auch innendrin heiß wird. Bogi schickt am nächsten Morgen einen Freund vorbei, der eine Art Physiotherapeut ist – wir haben keine gemeinsame Sprache und auch keinen Übersetzer, deswegen kann ich es nicht genauer sagen, aber mir reicht es, wenn er sich mit meinem Rücken befasst, und das kann er ausgezeichnet.
Er walkt und knetet und zupft und kneift, bis ich nicht mal mehr ein Schmerzempfinden habe. Doch nach der ersten Einheit kann ich immerhin wieder nach links und rechts gucken, ohne den halben Körper mitzudrehen. Mithilfe eines Kalenders verabreden wir uns für morgen um zehn, dann wird er weitermachen. Abschließend verbietet er mir sämtlichen Sport, schweres Heben, lange herumsitzen, Aufenthalt im Kalten und alle Formen von Alkohol.
Wofür brauchen wir eigentlich eine Sprache? Es geht auch ohne.

Den restlichen Tag pendle ich zwischen der Küche und den Liegestühlen im Hof. Es ist warm, die Sonne scheint und ich glaube, dieses Jahr werde ich schon zu Beginn des Sommers so braun sein wie sonst an seinem Ende. Und er hat ja noch nicht mal angefangen!
Ich hatte ganz vergessen, wie angenehm und entspannend (im Sinn des Wortes!) es ist, nichts tun zu müssen und einfach nur in der Sonne liegen zu können.
Miloš tut andere Dinge. Er besucht natürlich seine Eltern und kommt natürlich unzufrieden und missgestimmt von dort zurück. Er hat in dieser Woche einige Behördengänge zu erledigen, teils für sich, teils für Sloba, er räumt das WG-Zimmer aus und holt auch ihre persönlichen Gegenstände aus der Schule ab. Sie hat eine Liste geschrieben von Dingen, die sie in Hoorn braucht, die anderen bleiben bei ihren Eltern, die wird sie irgendwann später abholen oder wenn sie mit dem Studium fertig ist.

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