3. Juni 2016

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„Warum so aggressiv?“
„Du hast schon fünf Kilo abgenommen. Wie viele sollen es noch werden?“
„Wie kommst du denn darauf?“, tut er erstaunt.
Er weiß es also auch. „Sortier deine Knochen, ich will endlich aus dem Auto raus.“
Murrend gehorcht er, nimmt seine Reisetasche und den Rucksack, in dem unser restlicher Proviant ist und wartet neben dem Fahrzeug auf mich, während ich noch kontrolliere, ob auch wirklich alle Türen und Fenster zu sind. Gemeinsam gehen wir zur Pension und bringen die Sachen auf unser Zimmer.
Als wir schon wieder auf dem Weg nach draußen sind, fragt er: „Hat es gut geklappt mit dem Fahren?“
„Ja. Leider hab ich irgendwann ziemliche Kopfschmerzen gekriegt, wahrscheinlich vom Konzentrieren.“
„Mein Mitbewohner würde sagen, dann musst du mehr trinken.“
„Danke für den Tipp!“, tue ich begeistert. „Trinken ist allerdings so eine Sache, wenn die Flasche im Rucksack steckt und der ist zu und deine Beine liegen oben drauf und du pennst und ich muss mindestens hundert fahren.“
„Entschuldigung.“
„Ach, vergiss es.“ Au weia. Wir müssen uns zusammenreißen, sonst wird das eine äußerst unerfreuliche Zeit.

Noch vor dem Frühstück am nächsten Morgen rufen drei Personen an, mit denen Miloš serbisch (oder kroatisch, bosnisch, slowenisch etc.) telefoniert. Scheint so, dass wir das Auto voll kriegen. Das ist ein gutes Zeichen.
Wir laden unsere Sachen ein und Miloš fragt mich: „Bist du fit?“
„Ja. Und du? Bist du auch fit?“
„Ja. Fahr trotzdem.“ Er drückt mir den Autoschlüssel in die Hand.
Das ist ein schlechtes Zeichen.

Wie kann das sein, dass Autofahren auf einmal so anstrengend für ihn ist, dass er mich freiwillig ans Steuer lässt? Er hat doch sonst nichts lieber gemacht? Ich würde gar nicht weiter darüber nachdenken, wäre das die einzige Veränderung. Ist sie aber nicht. Seit er auf halbem Weg nach Wilhelminakerk gestrandet ist, joggt er nicht mehr, sondern !geht spazieren!, er schwimmt gar nicht mehr, und er spielt den Bass anders als sonst (und neuerdings nicht mehr zusammen mit der Band, sondern nur noch in seinem Zimmer). Und das alles nur, weil er schlecht Luft bekommt? Das kann ja wohl nicht sein.
Jesus, mach ihn bitte gesund. Ich hab keine Ahnung, was er hat, aber er ist nicht gesund, also muss er krank sein. Es gibt ja kein halbkrank oder halbgesund. Und kannst du ihm das auch mal erklären, dass du Ärzte und Medizin erfunden hast? So ein Doktor ist ja nicht vom Teufel. Warum stellt er sich so schrecklich an?
Du gehst auch nicht mit jedem Zipperlein zum Arzt.
Aber das hier sind keine Zipperlein! Er ist gestern fast ohnmächtig geworden!
Reg dich nicht über ihn auf. Das bringt nichts.
Wohl wahr. Dann fällt mir etwas ein. Du weißt doch immer alles. Was hat er?
Frag ihn selbst.
Ha! Solltest du es noch nicht mitbekommen haben: Wir haben in letzter Zeit ständig Streit wegen dieser Sache!
Siehst du, mein Freund. Wenn er es dir nicht sagen will – wie könnte ich das tun? Bin ich der Gott, der Geheimnisse ausplaudert?

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