Zu meiner großen Verwunderung hat er sein Handy vorm Betreten des Gebäudes ausgeschaltet. So richtig aus, nicht nur lautlos! Er wollte tatsächlich mehrere Stunden nicht erreichbar sein! Das habe ich bisher nur erlebt, wenn die Donnerdrummels eine Bühne betreten.
Jetzt schaltet er es wieder ein, und als hätte die Außenwelt darauf gewartet, geht sofort das Gebimmel los. „Kusturica“, meldet er sich. Ins Gerät spricht er serbisch, zu uns: „Ich komme gleich wieder“ und will raus gehen, hält aber nach zwei Schritten schon an und kehrt zurück. „Für dich, Jeremy. Sloba.“
Ich übernehme das Telefon. „Guten Mittag, mein liebes Slobientje“, begrüße ich sie.
„Đero“, dehnt sie meinen Namen und ich höre, dass sie weint. Alannah fängt ein Gespräch über die beim Telefonat verwendeten Sprachen an.(316)
„Warte bitte kurz, ich geh mal nach draußen, hier ist es zu laut.“
„Wo bist du denn?“
„Wir waren im Gottesdienst, das hatte ich dir doch gesagt. Warum weinst du, Sloba?“
„Liebst du mich eigentlich?“
„Sloba, was soll denn diese Frage? Natürlich hab ich dich lieb.“
„Warum hast du dann immer noch nicht mit mir geschlafen?“
„Müssen wir das jetzt diskutieren? Außerdem, kann es sein, dass du einen Kater hast?“
Sie schluchzt herzerweichend. „Du nimmst mich nicht ernst, Đerominko! Genau wie Bernd, ihr denkt alle, ich wäre ein kleines Mädchen, das man nicht ernst nehmen muss!“
„Sloba, das ist doch gar nicht wahr.“ (Doch. Du benimmst dich nämlich gerade so.)
„Kannst du herkommen?“
„Nein, das geht leider nicht, wir haben eben eine Einladung bekommen zu Leuten, die auch in diese Kirche gehen. Gleich am ersten Tag, stell dir das vor.“
„Du kennst die also gar nicht?“
„Nein. Aber sie sind nett.“
„Nett ist die kleine Schwester von scheiße.“
So langsam vergeht mir die Lust an diesem Gespräch. „Sloba, was willst du?“
„Ich will, dass du mich fickst.“
Mal was ganz Neues! „Und davon abgesehen?“
„Du sollst nicht irgendwelche Leute besuchen, sondern mich.“
„Nein danke. Du stinkst derart nach Alkohol, dass ich es fast durchs Telefon riechen kann. So will ich dich nicht sehen.“
Wieder bricht sie in Tränen aus, und es sind große, dicke Krokodilstränen.
Ich hasse dieses Theater. „Sloba, wenn du sonst nichts mehr sagen willst, leg ich jetzt auf.“ Weil sie nur noch mehr heult, tue ich es und will wieder nach drinnen zu meiner Sonntagseinladung gehen.
Miloš tritt mir mit meiner Jacke entgegen.
Jetzt sehe ich, dass Alannah und Benji auch schon da stehen.
hundertdreiundsiebzigstes Kapitel
Sie wohnen mitten in Hoorn in einer Dachgeschosswohnung. Die Treppen bis dahin sind steil, aber ausnahmsweise bin nicht ich derjenige, der am lautesten schnauft.
„Bist du krank?“, erkundigt Alannah sich bei Miloš und geht absichtlich langsamer.
„Nein, das geht gleich wieder“, keucht er. „Ich hatte neulich einen Schnupfen.“
„Das klingt aber nicht nach einem Schnupfen“, bemerkt sie.
„Ich sagte ja, er ist vorbei.“
Den Rest des Gesprächs höre ich nicht mehr, weil Benji und ich schon oben angekommen sind und die Wohnung betreten.
Im Wohnzimmer steht eine Sofakombination, in der ich mich niederlassen darf. Benji holt Gläser und Getränke und dann sind auch Miloš und Alannah angekommen.
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