Miloš stößt mich an. „Na hopp! Geh schon!“
„Aber es kennt mich doch niemand!“
„Aber so lernen sie dich kennen! Das war es doch, was du wolltest! Nicht Klos putzen für den Herrn, sondern trommeln!“
Das kommt ein bisschen plötzlich.
„Hör auf schüchtern zu sein“, drängt er mich, während die Leute links und rechts von uns schon herüberschauen.
Na ja, stimmt. Ich stehe auf, gehe nach vorne und spüre haufenweise Blicke im Rücken.
Der Mann mit der Gitarre stellt erstaunt fest: „Ich kenne dich gar nicht, wer bist du?“ Er hält mir das Mikrofon hin.
„Jeremy Willem“, sage ich hinein. Mir sitzt eine große Gruppe fremder Menschen gegenüber. Wenn wir einen Auftritt haben, fühlt es sich ganz anders an.
„Hallo Jeremy Willem. Ich heiße Benji. Warum habe ich dich nie zuvor bei uns gesehen?“
„Weil ich heute zum ersten Mal hier bin.“
Dafür kriege ich auch einen Applaus.
„Willst du direkt mit uns die Anbetung starten oder sollen wir erst ein paar Lieder üben?“
„Wenn ihr nicht total krasse Rhythmusansprüche habt, wird es so gehen“, vermute ich.
„Fein“, sagt Benji. „Dann geh schon mal hinter die Trommeln.“
Ich muss mich gar nicht aufs Höckerchen setzen um zu sehen, dass Debbie unter eins siebzig groß ist. Ich schiebe alles auseinander, passe die Abstände an und prüfe ein paar Mal, ob es jetzt stimmt. Derweil sammelt sich die Band aus zwei Sängerinnen, einem weiteren Gitarristen und einer Frau mit Saxophon auf der Bühne. Den Soundcheck müssen sie vor unserem Eintreffen gemacht haben. Benji kommt mit der einen Sängerin zu mir hin. „Bist du soweit?“
„Ja.“ Vorsorglich ziehe ich das Jackett aus und lege es auf einen Stuhl. Übrigens bin ich der einzige auf der Bühne, der einen Schlips trägt.
„Gut“, lacht er. „Alannah blättert für dich um. Wenn irgendwas ist, mach dich bemerkbar. Wir kriegen das hin.“(314)
Die meisten Lieder kenne ich nicht und ich trommele einfach etwas, das zu dem passt, was die Band spielt und singt.
Trommeln für den Herrn. Das wollte ich die ganze Zeit machen, Jesus. Erklär mir, was ist falsch gelaufen in der Zwaagse Straat?
Er schweigt sich aus, aber auch das ist auf einmal nicht mehr schlimm, schließlich weiß ich: das hier ist sein Geschenk an mich. Keine Ahnung, ob es sich speziell auf diese Kirche bezieht, aber es bezieht sich jedenfalls auf den Beginn von Miloš’ und meiner Suche. Wir sollten gemeinsam losgehen. Wenn irgendwas ist, mach dich bemerkbar.
Ab neun Uhr füllt sich der Saal zusehends.
Nach dem letzten Lied stellt Benji mich noch einmal vor und erklärt auch, warum Debbie nicht wie gewohnt hinter den Trommeln gesessen hat. Mit „Lauf bitte nicht weg, wenn der Gottesdienst um ist“, verabschiedet er mich auf meinen Sitzplatz.
Miloš kriegt auch ein Geschenk, denn es gibt Abendmahl, und es wird kein Unterschied gemacht, ob jemand fast sein ganzes Leben mit Jesus geht oder erst seit acht Monaten. Jeder, der Frieden mit Gott hat, darf teilnehmen. Später dürfen auch hier die Leute erzählen, was sie mit Jesus erlebt haben und zum Schluss wird noch einmal gesungen.
Danach stehen die Leute relativ gleichzeitig auf. Die einen holen sich im hinteren Bereich des großen Raumes eine Tasse Kaffee, andere laufen nach vorne zur Bühne, sprechen mit dem Prediger oder suchen ihre Familienangehörigen oder Freunde, wieder andere kaufen sich ein Buch, ein paar stehen für die mp3-Aufnahme des Gottesdienstes an und es ist das gleiche Durcheinander, das mich in der Zwaagse Straat schon völlig überfordert hat. Bis auf eine große Ausnahme.
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