3. Juni 2016

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Mommi schwärmt immer, wie hübsch er doch ist. Ihn macht das furchtbar verlegen, vor allem, wenn nicht nur ich dabei bin.
„Das ganze Gespräch war seltsam. Aber warten wir mal ab, wie sich der Tag entwickelt.“
„Steht sie gleich hier auf der Matte oder ruft sie an, bevor sie kommt?“
Ich verstelle die Stimme zu einem hohen Zwitschern: „Kommen, haha! Gutes Stichwort!“
„Nicht schon wieder“, brummt er.
Das bringt mich zum Lachen. Wie ähnlich wir uns doch sind! „Sie ruft an.“
Er nickt, geht zu der Hälfte des Bücherregals, in der ich nicht aufräumen musste, sucht sich einen Schmöker aus und verzieht sich aufs Sofa. Dort angelangt fällt ihm zu fragen ein: „Oder wolltest du irgendwas mit mir zusammen tun?“
„Ja, lass uns rumhängen! Ich muss endlich mit diesem blöden Fachbuch fertig werden.“ Leider ist es Pflichtlektüre bei uns an der MBB, seit Wouter es für gut befunden hat … Ich hole es aus meinem Zimmer, ziehe den Sessel in den Lichtradius der Verhör- und Leselampe, stecke meine Füße zu seinen Füßen unter die Decke und so haben wir es beide gemütlich.

Gut zwei Stunden sind seit dem Gespräch mit Sloba vergangen, als es wieder klingelt.
Im Moment bin ich der Festnetztelefonist des Hauses, denn ich bin schneller auf den Beinen. „Ja?“, melde ich mich.
„Hier ist dein liebes Slobientje“, röhrt sie. Dem Geräuschpegel nach findet entweder eine rauschende Party in der WG statt (was ich Katy und Gianna nicht zutraue – um diese Uhrzeit!) oder sie ist in einer Kneipe. Auch dort wäre für einen Samstagnachmittag viel los.
„Hast du gesoffen?“
„Fast nichts, mein Liebling, fast nichts! Aber ich brauch mal eine ehrliche Antwort von dir. Krieg ich die?“
Fast nichts dürfte eine ganze Menge sein. Hat sie das in den letzten zwei Stunden geschafft oder war sie vorher auch nicht nüchtern? „Her mit der Frage.“ Im Hintergrund wird ein Tooooor! bejubelt, also ist sie in einer Fußballkneipe. Das erklärt den Lärm.
„Wenn ich dich heute besuchen komm, schläfst du dann mit mir?“
„Nein.“
„Okay, dann bleib ich hier! Tschüss, mein Liebling!“ Damit endet die Verbindung.
Kopfschüttelnd lege ich das Telefon weg. Kommunikation kann ganz einfach sein – warum bin ich oft so umständlich?


hundertzweiundsiebzigstes Kapitel

Sonntags besuchen wir das erste Mal die Freie Kirche in der Rozenlaan.(313) Wir haben uns schick gemacht (vielleicht hat er deswegen gestern seine Frisur aufgefrischt) und sind kurz vor Beginn der ersten Anbetungsstunde da. Kaum haben wir zwei Sitzplätze im hinteren Drittel des Saals gefunden, als ein Mann mit umhängender Akustikgitarre die Bühne betritt und das Mikro aus der Halterung nimmt. „Liebe Freunde“, sagt er hinein, aber obwohl das Stimmengemurmel nachlässt, hört man ihn kaum. Dann hat der Tontechniker den richtigen Kanal aufgezogen und der Mann beginnt von vorne, „Liebe Freunde. Debbie hat gestern ihr Baby gekriegt, es ist ein Junge und sie hat ihn Jamie genannt. Beiden geht es gut und sie werden morgen nach Hause gehen dürfen.“ Applaus brandet auf und hindert ihn am Weitersprechen. Er wartet ab, bis es wieder ruhig ist. „Das heißt aber, dass wir jetzt keinen Trommler haben. Wer möchte uns heute aushelfen?“

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