Das ist ein weiterer Unterschied. Er ist leichter zufrieden zu stellen. Natürlich gibt es Dinge, die ihm nicht schmecken. Auberginen zum Beispiel haben ihn immer viel Disziplin gekostet, bis er sich endlich dazu durchringen konnte, mir zu sagen, dass er sie nicht mag. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass er mal übers Essen gemault hätte.
„Sloba hat sich angekündigt“, rede ich von etwas anderem.
„Für wann?“
„Heute Abend fährt sie mit Katy und Gianna ins Mijlenveer. Das könnte lang werden. Also erwarte ich sie nicht vor Mittags.“
„Gut. Mittags bin ich wieder hier.“ Er isst eine Weile schweigend. „Wir kriegen dieses Mal einen Opel Zafira. Das ist ein großer Kombi mit Platz für fünf Personen und viel Gepäck. Er ist teurer als der E12, aber ich wollte nicht am falschen Ende sparen.“
„Ist er so teuer wie der Audi?“
„Du hast erschreckend wenig Ahnung von Autos. Natürlich ist er günstiger, es ist ein Opel!“
„Ist er denn wieder von der Vermietung in Hoorn?“
Er nickt. „Ich kann ihn am Sonntagmittag nach der Arbeit abholen. Wenn wir dann direkt losfahren, sind wir mit Übernachtung in Stuttgart am Montag zum Abendessen in Peckovar. Was ist mit Sloba? Hat sie schon nachgefragt? Fährt sie mit oder bleibt sie hier?“
„Ja.“
„Du kannst eine Oder-Frage nicht mit Ja beantworten“, bemängelt er.
„Sie bleibt hier. Ihre Chefs sagen, sie haben keine Aushilfe eingestellt, damit die nach zwei Wochen für eine Woche fehlt. Nachvollziehbar.“
Die Woche scheint meinen Mitbewohner weit mehr geschlaucht zu haben als bislang erkennbar war. Er verpennt den halben Vormittag und als er es endlich hinunter in die Küche geschafft hat, ist das Schwimmen schon von der Tagesordnung verschwunden. Kurz darauf schnürt er die Laufschuhe und verabschiedet sich für die nächsten Stunden.
Vorher wie nachher widme ich mich dem Hausputz, zu dem ich in meiner entspannten Woche keine Lust hatte, denn da war Segelwetter oder ich habe andere Dinge getan.
Gerade als ich die Kochbücher wieder richtig ins Regal einsortiere, die ich im Laufe der Zeit nur in ein leeres Fach gestapelt habe, kommt er herein gestolpert und sinkt auf dem Sofa zusammen. Er ist bleich und scheinbar völlig ausgelaugt.
Da hat’s wohl einer übertrieben mit dem Sport. „Mannomann, bist du ums IJsselmeer gelaufen?“, übertreibe ich auch ein bisschen, um ihm entgegen zu kommen.
„Nein. Ich wollte nach Wilhelminakerk, aber auf halber Strecke musste ich umkehren.“
„Warum denn das?“
Er schnappt immer noch nach Luft. „Ich konnte nicht mehr.“
„So was hör ich ja zum ersten Mal von dir.“
„Ich weiß auch nicht, was los ist. Ich hätte es langsamer anfangen sollen nach der harten Woche und dem Schnupfen.“ Er schleppt sich in die Küche und trinkt, trinkt, trinkt.
„Aber wenn du auf halber Strecke nach Wilhelminakerk nicht mehr konntest – wie bist du dann zurück gekommen?“, fällt mir auf. „Da warst du doch schon ungefähr drei oder vier Kilometer weit weg?“
„Eben drum“, macht er und wischt sich den Mund ab, „deswegen bin ich ja so fertig: ich konnte nicht mehr, musste aber noch. Ich gehe duschen.“
Ich konnte nicht mehr, musste aber noch. Das klingt nach einem Wortspiel. Er selber klingt, als sei er krank. So richtig. Er kann auch nicht mehr, warum zwingt er sich weiter? Aber ich soll ja nicht mehr darüber nachdenken.
Stattdessen rufe ich Sloba an. Es ist ja schon halb zwei; wenn sie uns mittags besuchen will, muss es ein später Mittag sein. „Hallo mijn lieve Slobientje!“, begrüße ich sie. „Heb je een fijne dag gehad? En hoe voel je je?“(311)
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