3. Juni 2016

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Am Freitagabend beginnt Miloš’ freies Wochenende und dieses Mal hat er es dringend nötig. Schon in der Woche ist mir aufgefallen, dass die Sofazeiten immer länger werden. Hoffentlich ist Lales Fuß bald wieder heile.
Ich rüttele an seiner Schulter. „Komm schon, wach auf. Das Essen steht auf dem Tisch.“
„Ich will nichts essen“, murmelt er.
„Ich hab dir Fleischgemüse gekocht“, locke ich. Fleischgemüse ist das Gericht, das nur im Namen Gemüse enthält – angebratene Zwiebelwürfel sind kein Gemüse, sondern eine Soßenzutat. Es existieren verschiedene Varianten:
mit Rind, Schwein oder Pute
mit heller oder dunkler Soße
mit Reis, Nudeln oder Kartoffeln.
Aber die Varianten interessieren ihn in den meisten Fällen nicht. Und heute schon gar nicht: „Jeremy, lass mich in Ruhe. Ich will wirklich nichts.“
„Aber du musst doch was essen!“ Weil er nicht reagiert, frage ich: „Riechst du denn immer noch nichts?“
„Doch. Es riecht lecker. Ich esse später.“
„Musst du vielleicht doch mal zum Arzt gehen?“
„Nein, verdammt“, regt er sich auf, „das muss ich nicht! Der Mist ist von selber gekommen, also wird er auch von selber gehen.“
Dieser These stehe ich äußerst kritisch gegenüber, aber weil wir gestern schon Streit hatten deswegen, halte ich mich zurück und bete nur, dass Jesus ihn gesund macht. Dann fange ich mit meinem Gemüsegemüse(310) an. Als ich fast fertig bin, erhebt er sich ächzend vom Sofa und lässt sich am Tisch nieder.
„Ich hab dein Essen in den Ofen gestellt“, informiere ich, „Warte, ich hol es dir. Hast du übrigens Brot mitgebracht?“
„Nein, vergessen. Sorry.“
„Macht nichts.“ Ich bewaffne mich mit zwei Topflappen und hole die gusseiserne Pfanne aus dem Backofen. Miloš nimmt einen der Korkuntersetzer vom Tresen und legt ihn neben seinem Teller hin.
„Hast du morgen irgendwas vor?“
„Vom Schwimmen und Laufen abgesehen nichts. Ich war die ganze Woche nicht draußen, außer zur Fortbewegung. Furchtbar.“
Er scheppt sich Fleisch und Soße auf den Teller und nimmt dazu von den Spiralnudeln, die auch in meinem Essen eine Rolle spielten. Nach ein paar Gabelfüllungen sagt er: „Übrigens vielen Dank, dass du mir so oft Gerichte mit Fleisch kochst.“
„Oh, bitte“, erwidere ich erstaunt. „Wie kommst du jetzt darauf?“
„Helena war ganz neidisch, als sie gehört hat, dass du das Fleischgemüse für mich erfunden hast. Sie musste immer deinen Körnerkram essen.“
„Das stimmt nicht. Für sie gab es genauso oft Gerichte mit Fleisch wie für dich. Der Unterschied ist der: Du isst den Körnerkram mit mehr Begeisterung.“
„Er schmeckt ja auch gut. Und ich kann nicht verlangen, dass du immer zwei Menüs kochst, es ist kein Restaurant.“

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