Nachdem wir die Küche aufgeräumt und gespült haben, radelt er los und kommt eine kleine Weile später mit seinem Instrument und dem alten Miniverstärker zurück. Er trägt alles in sein Zimmer und fängt dann an, das Haus zu beschallen. Erst laut, dann leiser, dann noch etwas leiser. Mich stört es nicht. Ich habe mich mit einem Buch auf dem Sofa ausgebreitet und genieße die physische Ruhe.
Weil Miloš morgen früh raus muss, beendet er die Etüden bald, und weil mir eine halbe Nacht fehlt, treffen wir uns im Bad.
„Was hast du denn da für komische Flecken?“, fragt er.
„Wo?“, frage ich abgelenkt.
„An den Armen.“
Ich schaue hin. Mittlerweile sind sie gelblich-bräunlich. „Willst du es echt wissen?“
„Deswegen frage ich.“
„Die sind von dir.“
„Was?! Ich war das? Oh Gott, ja, ich habe dich im Coec festgehalten.“ Er wirkt ehrlich erschüttert. „Jeremy, das tut mir leid. Es war mir nicht klar, dass das so fest … tut es sehr weh?“
„Ach, es geht wieder.“
„Warum hast du denn vorher nichts gesagt?“
„Ich hab drüber nachgedacht. Aber du hättest ein schlechtes Gewissen gekriegt und der Schmerz wäre geblieben. Also was solls.“
Bekümmert guckt er aus der Wäsche. „Ich wollte doch nur, dass du aufhörst so auszurasten und dich selbst zu schlagen!“
„Ist gut“, winke ich ab.
„Trägst du deswegen die ganze Woche schon Hemden? Damit es niemand sieht?“
„Nein. Die trag ich, weil mir sonst kalt ist.“ Ich nehme Zahnpasta und stupse ihn an, „Rück ein Stück.“
Er geht nicht beiseite, sondern sagt nachdenklich: „Man schätzt so eine Zweisamkeit erst richtig, wenn man sie nicht mehr hat.“
Ach du liebe Zeit! „Wirst du als nächstes sentimental und fällst mir um den Hals?“
Jetzt lacht er wieder. „Sollte ich das mal tun?“
Ich lache auch. „Bitte nicht!“
hunderteinundsiebzigstes Kapitel
Meine Woche ist entspannt. Zwei unserer drei lautesten Kinder sind krank und eine junge Frau macht ein Praktikum bei uns. Letzte Woche war sie auch schon da, das heißt, sie weiß bereits einiges und nimmt uns Arbeit ab.
Miloš’ Woche ist nicht entspannt, sondern anstrengend. Lale bekommt ein Muttermal unterm Fuß wegoperiert und ist für vierzehn Tage krank geschrieben. Die Aushilfen Peggy, Sandrine und Barbera können teilweise nicht mehr Stunden arbeiten, daher werden als erstes aus den Doppelbelegungen abseits der Haupteinkaufszeiten Einzelschichten, und die restlichen Stunden muss Miloš übernehmen. An seinem sonst freien Mittwoch arbeitet er vormittags, deswegen lassen wir die Bandprobe ausfallen.
Slobas Woche ist auch anstrengend. Das frühe Aufstehen und die Arbeit sind ungewohnt, sie kennt die Abläufe und die Kollegen nicht und ihr Freund (der blöde Sack) lässt sich die ganze Woche nicht blicken, sondern ruft nur zweimal an.
Ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll mit dieser Beziehung. Wenn ich führen will, ist ein Ziel ja das Mindeste, was ich wissen sollte. Aber ich bin völlig ratlos.
Dem einen Ratgeber habe ich die Einmischung untersagt, der zweite Ratgeber – meine Mommi – hat mir abgesagt. Früher, als Gerrit unbedingt mit Lucy zusammen sein wollte, haben sie und Popp dagegen gewettert, bis die beiden auch noch ein Kind gezeugt und geheiratet haben und alles bloß schwieriger wurde. Deswegen haben sie sich versprochen, diesen Fehler nie wieder zu machen und die Beziehungen ihrer Kinder mit Liebe zu ertragen.(309) Zudem sagt sie, ich hätte ein Herz und ein Gewissen, da bräuchte ich keine Ratgeber von außen.
Und der dritte Ratgeber, Jesus, schweigt sich aus.
Sehr hilfreich!
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