„Nicht nötig“, bockt sie.
„Gut. Außerdem fragst du sie, ob sie eine WG wissen, in die du einziehen kannst. Und such dir bitte einen Job.“
Unvermittelt bricht sie in Tränen aus.
Ich bleibe auf Abstand. Am liebsten würde ich sie anschreien, dass ich ihr Tränentheater satt habe, aber das lasse ich lieber. Es bringt ja eh' nichts. „Bist du bald fertig?“, frage ich.
„Kannst du mich bitte auch anschreien und verprügeln? Das würde mir weniger weh tun als wenn du so respektvoll und ruhig mit mir redest. So hat noch nie einer mit mir geredet.“
Hoppla. Das klingt, als würde sie es doch ernst nehmen. Ich setze mich neben sie. „Dann wird es Zeit, dass du dich dran gewöhnst.“
„Heißt das … heißt das, wir sind noch … so richtig?“
„Ja. Sind wir. Ich verzeihe dir, weil du es bereust. Aber du musst eins wissen: ich verzeihe dir dieses Mal. Ich weiß nicht, ob ich es noch mal und noch mal verzeihen kann.“
„Danke“, wispert sie und wischt sich das Gesicht ab. „Aber warum schickst du mich weg, wenn wir noch ein Paar sind?“
„Ich schicke dich nicht weg. Ich schaffe etwas Abstand zwischen uns beiden und zwischen dir und Miloš. Das Haus ist zu eng für drei. Du bist eine halbe Woche hier und schon hat es mächtig geknallt. Und da du nicht zurück an die Schule kannst und auch nicht nach Köln willst, brauchst du hier einen Job.“
Sie hat schon wieder nasse Augen. „Du, Đero … schreist du nie rum?“
„Von wegen. Frag Merle, wie ich rumschreien kann.“
„Darf ich sie auch andere Sachen über dich fragen? Zwischen euch ist so viel … na, von allem halt. Wärme und Liebe und Wertschätzung und so.“
„Fragen kannst du sie alles. Ich weiß aber nicht, ob sie Antworten gibt.“
„Wo hast du ihre Telefonnummer?“
Ich mache einen langen Arm und gebe ihr das Telefon. „Eingespeichert bei M. Es ist bei dir eine andere Ausgangslage als vor ein paar Jahren, als Miloš ins Land kam, aber ich rate dir dringend, die Sprache zu lernen. Viele von uns sprechen gut deutsch, aber du wirst leichter zurecht kommen, wenn du die Sprache verstehst.“
„Das hat Merle auch gesagt. Und dass es vom Deutschen aus nicht schwierig ist. Ich frag sie nach einem Sprachkurs.“
hundertneunundsechzigstes Kapitel
Es ist genau wie Merle auf der Bühne im Coec gesagt hat: Nieke ist kein Ersatz, sie ist eine Bereicherung. Dienstagabend hat sie in der Bandprobe von Slobas neuen Bedürfnissen erfahren und schon Freitags regelt sich das meiste.
Sie hat zwei jüngere Schwestern im Alter von 25 und 23 Jahren(305), und die wohnen mit einer gemeinsamen Freundin zusammen. Die jüngere ist gerade mit YWAM auf den Philippinen und die beiden anderen haben zugestimmt, Sloba bis zum Sommer aufzunehmen. In Niekes Betrieb werden immer Aushilfen gesucht und so auch jetzt. Sloba kann am Montag um sieben Uhr anfangen. Und morgen werden sie shoppen gehen. Sie hat noch eigenes Geld, aber Miloš und ich geben auch etwas dazu.
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