2. Juni 2016

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Es geht so nicht weiter. Sie muss sich eine andere Bleibe suchen. Sie ist zu unreif, unzurechnungsfähig und triebgesteuert, als dass ich das dauerhafte Zusammenleben mit ihr wagen würde. Ich muss doch schon damit rechnen, dass sie ungebeten in mein Bett kommt! Obwohl ich fast zwei Jahre nicht mehr mit einer Frau im Bett gelegen habe, bin ich nicht sicher, dass meine Wertvorstellungen auch im Halbschlaf oberste Priorität haben, zum Beispiel, wenn ich vorher einen feuchten Traum gehabt habe. Und ganz davon abgesehen will ich auch keinen Überfall!
Trotzdem versuche ich es sachlich anzugehen.
Was hat sie getan?
Sie war untreu. Sie hat sich Ersatz gesucht. Unreif hin oder her, man sollte von einer bald Dreißigjährigen erwarten können, dass sie sich und ihre Triebe im Griff hat.
Andererseits hat sie es mir gestanden. Ich hätte es sonst nie mitbekommen. Und sie hat ja auch gesagt, dass sie es bereut und nicht wieder tun will.
Aber sie wollte es vorher sicher auch nicht.
Sei gnädig mit ihr. Sie ist schwach geworden, das ist menschlich.

Als ich von meiner ziellosen Fahrt heimkehre, sitzt Sloba am Tisch. Ihre rechte Wange ist stark geschwollen; ihre Augen sind es auch. Das waren keine Krokodilstränen.
Miloš liegt lesend und Taschentücher verbrauchend auf dem Sofa.
Ich gehe zu ihm hin und frage: „Hast du sie geschlagen?“
„Wer hätte das sonst tun sollen?“, fragt er zurück.
„Du tust es nicht noch einmal“, lege ich fest.(304)
„Sie zieht sich nicht nur an wie eine Nutte, sie benimmt sich auch so.“
„Du mischst dich nicht in meine Beziehung ein.“
Lange guckt er mich an. „Gut“, lenkt er schließlich ein. „Ich halte mich raus. Gebe dir keinen Rat, gebe ihr keinen Rat. Frag mich also bitte nicht nach meiner Meinung.“
Er klingt mächtig beleidigt, aber es ist nun mal meine Angelegenheit. „Danke.“ Ich habe mich schon wieder zum Tisch umgedreht, als: „Jeremy, tu mir einen Gefallen.“
„Sag an.“
„Sie soll sich anders anziehen. Mehr Stoff. Weniger Haut.“
„In Peckovar ist sie doch auch so rumgelaufen?“
„Das heißt nicht, dass es mir da besser gefallen hätte. Aber wir hatten uns sehr lange nicht gesehen. Die Wiedersehensfreude war größer.“
„Ist das so ein Familienehre-Ding?“
„Vereinfacht gesagt, ja.“
„Gut“, sage ich auch. Familienehre-Dinge haben Vorrang, und ganz davon abgesehen hat er recht. Diese Klamotten sind zu knapp.
Ich gehe in die Küche, hole einen Beutel Kirschkerne aus dem Eisfach und gebe sie Sloba.
„Was habt ihr geredet?“, will sie wissen.
Wie gut, dass ich auf einmal auch eine Bassistengeheimsprache habe! Ich antworte nicht. „Du verabredest dich bitte mit Merle oder Nieke und ihr geht Klamotten einkaufen. Ich möchte nicht, dass du weiterhin so rumläufst.“
„Aber das ist mein Stil!“
„Nein, das hat nichts mit Stil zu tun. Das ist geschmacklos und um jeden Preis auffallen wollen. Und vielleicht hat es auch damit zu tun, dass du dich von Bernds Vorstellungen abgrenzen willst, kann das sein?“ Ich erwarte keine Antwort und rede weiter: „Soll ich die Mädels vorher anrufen und ihnen meine Vorstellungen und Wünsche sagen, damit deine neuen Klamotten nicht noch kürzer sind?“

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