Das war klar! Ich bin schon wieder auf die hilfsbedürftiges-verheultes-Etwas-Nummer reingefallen. „Wie lange willst du bleiben?“
„Das ist doch jetzt gar nicht wichtig“, schnurrt sie.
Ich halte ihre Hände fest. „Wie lange willst du bleiben?“
Das Telefonklingeln unterbricht uns. Das hat mir gerade noch gefehlt. Seufzend stehe ich auf und melde mich: „Ja?“
Das Gegenüber spricht serbisch, dann deutsch: „Hallo Đerominko, hier ist Dragan. Kannst du dir gewöhnen, mit Namen zu melden?“
Das bringt mich zum Lachen. Diese Bitte ist so alt wie mein eigener Telefonanschluss. „Warum denn, du erkennst mich doch auch ohne?“
„Ja, aber nur, weil du klingst nicht wie unser Miko.“
„Ich werde darüber nachdenken. Weshalb rufst du an? Miloš ist noch arbeiten.“
„Nein, es geht um … Dijana hat Sorgen. Es hat jemand angerufen, Kollege von Slobodanka, sie ist nicht in Schulunterricht gewesen! Vielleicht sie hat euch gesagt, wohin sie will?“
„Einen Moment bitte“, sage ich und halte Sloba den Telefonhörer hin: „Erklär deinem Papa bitte, warum du hier bist und dich nicht bei ihm abgemeldet hast.“
Die Unterhaltung wird natürlich serbisch geführt, aber anhand der nonverbalen Kommunikation ahne ich, dass sie sich in viele Ausreden flüchtet und immer wieder von vorne anfängt, vermutlich weil ihr Vater ihr nicht glaubt.
Ich begreife es nicht. Selbst wenn Bernd auf die Idee gekommen wäre, ihre Eltern aufzusuchen – die Adresse hätte er ja von einem ihrer Kollegen erfahren können – hätten die Eltern ihren Aufenthaltsort sicher nicht weitergegeben, erst recht, wenn Sloba sie gebeten hätte, es zu lassen. Ist ihr Verfolgungsding paranoid oder unreif?
Weil ich keine Lust habe, ihr weiter beim Telefonieren zuzuhören(302), schicke ich sie nach oben in ihr Zimmer und fange an mit dem Abendessen.
Kurz darauf kommt Miloš heim.
Statt wie üblich erst auf dem Sofa zusammen zu brechen, baut er sich in der Küche vor mir auf, punktiert mit dem Zeigefinger mein Brustbein und sagt: „Ja, ich habe Schnupfen, aber ich bin nicht krank. Ich möchte gerne mir dir reden, aber nicht darüber. Okay?“
„Okay“, lache ich.
„Wo ist Sloba?“
„Hast du einen Knick in der Platte?“
„Warum?“
„Das wolltest du heute morgen auch die ganze Zeit wissen.“
Er verdreht die Augen. „Ich bin halt so eine Art großer Bruder. Ich muss das fragen, wenn ich sie nicht sehe. Es könnte ja sein, dass sie Blödsinn anstellt.“
„Sie telefoniert oben mit Dragi, der hier anrief, weil er wissen wollte, ob sie bei uns ist.“
„Sie hat nicht Bescheid gesagt, dass sie weg will?“
„Nein, hat sie nicht.“
Er guckt finster und murmelt serbische Wörter.
„Was sagst du da?“
„Wann gibt es Essen?“
„Viertelstunde. Was hast du gesagt?“
„Ich übersetze es nicht“, knurrt er.
Oh je. „Wieso fragst du nicht endlich, was ich koche?“, biete ich einen Themenwechsel an.
„Weil ich weder rieche noch schmecke. Fasse mein Desinteresse bitte nicht persönlich auf.“
Bald schlägt’s fünfzehn! Des-in-te-res-se! Verkaufst du Backwaren oder Wörterbücher?
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