2. Juni 2016

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Miloš packt mich an den Armen.
„Lass mich los“, schreie ich auch ihn an und wehre mich erbittert, was zur Folge hat, dass sein Griff noch härter wird. Nach anderthalb Stunden fast pausenlosem Trommeln habe ich nichts mehr in den Armen, was ich ihm entgegen setzen könnte. Ich will das hier alles ganz anders haben! Ich will schlafen! Ich will meine Ruhe! Ich will überhaupt nichts mehr! Heulend breche ich zusammen.
Er lässt mich runter auf den Fußboden und setzt sich neben mich. „Erzähl es mir.“
„Sie denkt den ganzen Tag nur an Sex! Ständig habe ich ihre Finger in den Klamotten! Überall fasst sie mich an, alle sehen, wie sie mir in die Hose greift! Ich ertrag das nicht, ich will meine Ruhe!“
„Tief durchatmen, Jeremy.“ Er legt den Arm um meine Schultern.
Schon wieder Berührung auf meiner überreizten Haut. Hastig schlage ich den Arm weg.
„Ist gut. Ich fasse dich nicht mehr an. Leg dich hin und atme tief durch.“ Er schiebt die Möbel hinter mir beiseite.
Ich sinke zurück und atme ein … und aus.
„Noch mal.“
Ein … und aus.
„Noch mal.“
Ein … und aus.(299)
„Noch mal.“
Ein … und aus.
„Fühlt es sich besser an?“
„Bisschen.“
„Dann erzähl langsam weiter. Du kannst liegen bleiben. Warte“, fällt ihm ein und er schiebt einen Stuhl unter meine angewinkelten Beine.
„Auf der einen Seite ist es toll, dass sie hier ist und dass sie meine Freundin ist, und alle gucken ihr hinterher, aber sie ist nur wegen mir hier. Das fühlt sich gut an. Aber … die nennen sie die rote Furie, sagt Božidar. Wusstest du das? Ich kann das nicht, die ganze Zeit eifersüchtig hinter ihr her sein und drauf achten, wem sie auf den Hintern haut und wer das mit ihr tut. Ich bin nicht der Typ für Furien.“
„Wieso machst du nicht Schluss? Das verstehe ich nicht.“
Ich muss unterbrechen, es geht nicht anders. „Kannst du mir was zu essen holen?“
Er klopft sich an die Stirn, als habe er seine Pflicht vergessen. „Jeremy, du musst ja fast verhungert sein, kein Wunder, dass du so fertig bist! Was willst du haben?“
„Weiß nicht.“
„Süß oder herzhaft?“
„Herzhaft. Und viel. Und was zu trinken. Und … kannst du abschließen?“
„Natürlich. Wo hast du den Schlüssel?“
Ich taste die Gürtelschlaufen ab. Hier … irgendwo … „Scheiße. Ich hab ihn verloren.“
„Hast du nicht. Denk nach, du hattest ihn ja festgebunden. Wo ist er?“
Ich seufze erleichtert. „In der anderen Hose.“
Er steht auf, wühlt in der Sporttasche, in der unser verschwitzter Klamottenhaufen ist, knotet das Band ab und geht zur Tür. „Bis gleich.“

Irgendwann geht sie wieder auf, Miloš ist zurück. Er stellt eine Faltkiste auf den Tisch, hilft mir auf die Beine und packt aus, was er mitgebracht hat: eine Thermoskanne, Milchpäckchen, Zuckertütchen, zwei Tassen, ein Löffel und ein Stapel Servietten. Zwei Flaschen Mineralwasser, eine Cola und ein Bier. Zwei Gabeln und ein Messer. Auf einem Teller übereinander geschichtet eine Pizza mit Blattspinat und Ei, eine mit Sardelle, Mais und Artischocke, eine mit Schinken und Salami und dazu ein weiterer Teller, den er als Deckel verwendet hat. Vier verschließbare Plastikbehälter, in denen zweimal vegetarische russische Spezialitäten sind und im dritten ein halbes Brathähnchen. Und im vierten slowenische Schokoladentorte.
Liebe geht durch den Magen. Stimmt.

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