„Siehst du“, kichert Merle, „Miloš ist kein Frauentyp.“
Ich schiebe sie weg, dafür ist jetzt keine Zeit. „Wir sind kurz vor einem Auftritt, das letzte, was wir brauchen, ist ein Streit. Nieke, zu deiner Info: In der letzten Viertelstunde vor dem Auftritt trifft sich die Band–“
„Und zwar nur die Band“, knurrt Miloš und starrt seine Kusine finster an.
„Halts Maul! treffen wir uns zum Beten, wir besinnen uns drauf, warum wir nicht zuhause bleiben mit unserer Musik, sondern uns diesen Wahnsinn antun und so weiter.“
„Aha. Danke für die Auskunft.“
Auf deutsch wende ich mich an Sloba: „Warte bitte draußen. Du gehörst nicht zur Band.“
„Was hast du zu Nieke gesagt?“
„Geh bitte, wir können das später klären.“
„Sag doch mal“, mault sie.
Ich hole tief Luft. „Sloba. Geh. Jetzt.“
Widerstrebend verlässt sie den Raum.
Jetzt sind von den fünfzehn Minuten nur noch vier übrig. Ich bete: „Jesus, also, wir haben gar nicht mehr viel Zeit, aber ich bitte dich, dass du segnest, was wir hier tun … also die Musik meine ich, nicht die Zankerei … und dass du alle beschützt vor Unfällen und dass es keinen Streit gibt und so. Und dass wir vier gut zurecht kommen auf der Bühne, weil es ja eigentlich der erste gemeinsame Auftritt ist. Und dass die Botschaft von den Liedern ankommt, vor allem weil ja heute so viele Yugos hier sind. Also, ich bitte dich, dass das alles gut klappt.“
„Amen“, sagen die drei.
Er nimmt seine Rüsseltröte und den Schellenkranz an sich und will zur Tür.
„Ich hab da so ein Bauchgefühl“, fängt Merle an.
„Ein Bauchgefühl“, betont er im üblichen Wortgefecht-mit-Merle-Tonfall.
Sie springt sofort darauf an. „Ja, ein Bauchgefühl! Bei so viel Bauch werde ich wohl auch ein Gefühl haben dürfen, im Gegensatz zu dir, du serbisches Knochengerippe!“
„Zur Sache“, fordere ich und meine Bandchefautorität wirkt umgehend.
„Wir sollten heute keinen Kinderkrach machen.“
„Okay.“ Ich lasse den Staubsaugerschlauch wieder in die Kiste fallen.
„Hast du keinen Bock drauf, dich lächerlich zu machen?“
Nutzt sich meine viel gerühmte Bandchefautorität ab? Ich schalte einen Gang höher: „Hör auf zu diskutieren und leg das Zeug weg. Es ist Zeit!“
Ich trete als erster hinaus ins Scheinwerferlicht und setze mich hinter die Trommeln. Wie fange ich es an? Ich habe mir nichts überlegt. Der Entschluss der Band über diese Reihenfolge war dieses Mal ein bisschen zu spontan. Das Publikum steht in erwartungsvoller Stille. Ich nehme die Stöcke zur Hand, trete aber erst nur einige Male auf die Basstrommel. Bum, bum, bum. Und die Snare. Tack, tack, tack. Und beide zusammen. Bum, tack, bum, tack, bum, tack. Und mit der Hihat! Bum, tzschack, bum, tzschack, bum, tzschack.
Aber das hier ist kein Schlagzeugunterricht. Außerdem warten die Bandkollegen hinterm Vorhang und wollen raus. Ich steigere mein Tempo, nehme Becken, Toms und den Doublebass dazu. Es ist das erste Mal, dass ich auf der Bühne damit arbeite(297) und er verleiht meinem Spiel eine ungeahnte Breite – jetzt, da auch die Akustik die nötige Breite aufweist. Ich hätte es den Kollegen natürlich sagen können, dass ich etwas Neues tun will, aber ich wollte nicht. Ebenfalls binde ich die fünf Kuhglocken ein, die mit zu den Kinderkrachinstrumenten gehörten. Die habe ich recht schnell in meine Rhythmusabteilung geholt, auf ein Stück Dachlatte geschraubt und an einem Ständer befestigt. Das Blech erzeugt hart angeschlagen absolut nervende Klänge, die – fein dosiert – interessante Akzente setzen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen