2. Juni 2016

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Zum Glück gibt es dann erst mal den Soundcheck, der bei vier Bands kurz und knackig ausfallen muss, denn jetzt ist keine Zeit mehr für Experimente. Leider ist auch keine Zeit, meine Trommeln aufzubauen, also müssen wir mit dem ollen Schlagzeug vom Coec mischen. Immerhin wird es zwischen den Auftritten Umbaupausen geben, dann können wir es holen.
Vorgruppe Nummer eins besteht aus zwei Mädels, drei Jungs und vier Nationen. Sie haben hier ihren Proberaum und sind deswegen heute Teil des Musikprogramms. Bei den anderen handelt es sich um eine vierköpfige Schulband, die lose Kontakte zum Coec unterhält und gelegentlich hier probt, wenn in der Schule kein Raum frei ist.
Keiner von ihnen scheint älter als zwanzig zu sein. Bühnenerfahrung haben sie keine, was sich schon beim Soundcheck bemerkbar macht. Wir helfen hier und da, vor allem, damit die Nervosität nicht immer weiter ansteigt, was den Soundcheck verlängert, was die Nervosität ansteigen lässt, und so weiter und so fort. Wir sind ja alle mal Anfänger gewesen.

Nachdem alle „behandelt“ sind, kommt Božidar, der Eurocent-Trommler, auf mich zu. „Alles gut bei dir?“, fragt er.
Ich mag ihn, er ist ein gemütlicher Typ. Es macht bestimmt Spaß, ihn mal ohne seine aufgedrehte Verwandtschaft zu treffen.
„Ja, und bei dir?“
Er nickt und grinst. „Weißt du, wie sie deine Freundin nennen?“
„Nö, wie denn?“
Er sagt etwas Kroatisches und übersetzt es gleich: „Die rote Furie. Die geht ja ganz schön auf dich ab.“ Er zeigt eine Handbewegung, die Slobas Zustand unterstreichen soll.
Ich merke, wie ich rot werde.(296)
„Halt sie gut fest“, sagt er.
„Äh, ja“, mache ich zunehmend verwirrt.
„Darf ich dein Schlagzeug gleich auch nutzen?“
Hä? Geht es in diesem Gespräch um meine Freundin oder meine Trommeln? „Ja.“
„Cool, danke. Ich helf euch beim Aufbauen, okay?“
„Ja, mach das“, antworte ich und er geht weg.
Wie aus dem Nichts taucht Sloba vor mir auf. Die rote Furie. Kein Name passt besser. Mir bricht der Schweiß aus, einfach nur vom Angucken.

Von den ersten beiden Bands und ihren musikalischen Darbietungen bekomme ich nichts mit. Sloba tanzt mit mir und wie fast alles tut sie auch das mit ganzem Körpereinsatz. Ich kann kaum noch geradeaus gucken.
Zur Umbaupause zwischen Band zwei und drei bin ich zu spät, Miloš hat schon alles mit den Eurocents erledigt. Der Tontechniker ist nicht begeistert, dass er neu mischen muss, allerdings finde ich, er soll sich nicht anstellen. Meine Trommeln haben eine wesentlich höhere Klangqualität.


hundertfünfundsechzigstes Kapitel

Eine Viertelstunde vor unserem Auftritt versammeln wir uns in der Garderobe.
Miloš sagt etwas zu seiner Kusine, das sehr nach „Verschwinde“ klingt.
Sie wehrt sich mit entschiedenen Worten.
Er blafft zurück und zeigt aussagekräftig zur Tür.
Nieke versucht zu vermitteln: „Sie kann doch dabei sein, wenn wir“, aber Miloš unterbricht sie grob: „Nein, kann sie nicht! Zoran ist auch immer draußen geblieben, und der hat uns wenigstens überall geholfen!“
„Kann ich ja nicht wissen“, murmelt sie.
„Aber dich überall einmischen, das kannst du!“

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