„Zweitens. So eine Prügelei ist kein Streit. Wir machen das aus Spaß. Ich weiß, ich hab keine Chance gegen Miloš, er weiß es auch. Wir tun uns nicht weh, zumindest nicht absichtlich. Und, ganz wichtig: Wir brauchen keinen Anlass. Merle nennt es die dollen fünf Minuten, es rauscht rein, es rauscht raus. Fühl dich nicht bedroht, wenn so was passiert. Es betrifft dich nicht, niemand wird dich anfallen. Okay?“
Sie nickt wieder.
„Und jetzt frag deine Frage.“
„Habt ihr wirklich mal ein Bandmitglied vergrault mit so einem Getöse?“
„Nein. Simone hat vorher schon einen ziemlichen Hals auf uns gehabt. Miloš, Lisanne und ich kannten uns schon aus einer anderen Band, sie fühlte sich zu oft ausgeschlossen. Der Krach hat ihr nur den letzten Schubs gegeben.“
„Aber warum hat sie sich so isoliert gesehen? Merle war doch auch schon bei der Band, und die kannte euch nicht von früher?“
„Merle hat sich nicht mit Simone solidarisiert, was der wahrscheinlich gut gefallen hätte. Stattdessen hat sie mit uns zusammen Blödsinn gelabert.“
„Wann ist das passiert?“
„Noch in der Gründungsphase der Band. Es war vor dem ersten Auftritt. Wir haben seitdem viel gelernt. Vor allem habe ich gelernt, wie man Chef von so einem Hühnerhaufen ist. Deswegen stehen wir hier und reden. Ich hoffe, das hilft.“
Endlich lächelt sie wieder. „Ja, das hilft tatsächlich. Danke.“
hundertdreiundsechzigstes Kapitel
Wir verbringen die Ostertage mit Andenken für Jesus’ große Tat sowie segeln und segeln lernen. Das einzige, was mir fehlt, sind – trotz aller Schwierigkeiten – die Chatgespräche mit Sloba. Sie meldet sich nicht, auch nicht am Telefon.
Miloš sagt aber, ich soll mir keine Gedanken machen, vermutlich hat sie vergessen die Telefonrechnung zu zahlen. Dragan hätte uns angerufen, wenn etwas passiert wäre.
Nach dem zweiten Ostertag ist auch schon wieder Bandprobe. Im Gegensatz zu letzter Woche sind wir dieses Mal sehr beherrscht und zielstrebig. Die Setliste steht, wir haben sie genau durchgearbeitet, dazu haben wir die neueren Lieder gespielt und Nieke unsere Lieblingslieder vorgestellt. Eigentlich kann nichts mehr schief gehen.
Ich freue mich auf den Abend im Coec. Bei unserem Auftritt im Oktober waren wir noch mitten in der Wohnungssuche. Wie gut geht es uns doch jetzt! Wir haben ein wunderbares Zuhause gefunden, in Bibi, Arjen und den Mädchen nette Nachbarn (mit den Nachbarn zur Linken kommen wir nicht so gut zurecht, was aber nichts macht, da sie wenig Zeit zuhause verbringen) und einen guten Vermieter, der uns zum Einzug alle Wünsche erfüllt hat.
Der einzige Nachteil des Auftritts im Coec ist der, dass wir am nächsten Morgen nicht die Freie Kirche in der Rozenlaan angucken können. Aber die Leute werden nicht weglaufen.
Am Donnerstag wollen wir gerade zur letzten Bandprobe aufbrechen, als es an der Tür klingelt. Ich gehe öffnen. Ich glaub, ich seh nicht recht! „Sloba!“
Sie fliegt mir in die Arme. „Was machst du hier?“, frage ich sie verdattert zwischen all den Küssen. Übrigens sieht sie aus wie immer. Bis ans Knie ist sie sehr züchtig bedeckt, also von unten gesehen. Oberhalb des Knies eher weniger. Wahrscheinlich hat sie auch so eine gestörte Temperaturwahrnehmung wie Miloš – mir wäre furchtbar kalt am Bauch und am Rücken. Ach ja, ihre Haare sind mal wieder hellrot, aber neuerdings zu Dreads gefilzt.
Der Mitbewohner ist auch dazugekommen und fragt serbische Fragen, sie antwortet mir und ihm, es ist ein wildes Durcheinander. Nach und nach stellt sich heraus, dass Bernd in ihrem Schulunterricht aufgetaucht ist, daraufhin hat sie alles fallen lassen und ist abgehauen.
Die nächste Frage verstehe ich auch in serbischer Sprache. Er will wissen, wer dieser Bernd ist. Im Zuge ihrer Erklärung verfinstert sich seine Miene. Auch das ist international verständlich. „Hast du das gewusst?“, fragt er mich.
„Natürlich hab ich das gewusst“, antworte ich.
„Warum hast du mir nichts von dem Typen gesagt?“
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