„Wieso regst du dich jetzt so auf?“
„Weil ich stinksauer über diese russischen Brüder bin! Sie setzen solche Behauptungen in die Welt, ohne sich klar zu sein, was sie auslösen! Oder, noch schlimmer, sie sagen es absichtlich, um dich unterm Deckel zu halten. Das ist geistiger Missbrauch. Du kannst dich nicht wehren und es fällt in dein Herz, weil du es nicht besser weißt. Ich versiegele dich mit Jesus’ Blut gegen solche falschen Aussagen.“
Er nickt.
Klar, da fehlt noch was. Das Fläschchen hat seinen Platz im Bücherregal neben den Bibeln gefunden. Ich hole es, betupfe meinen Zeigefinger und male ihm ein Kreuz auf die Stirn. „Ich segne deinen Verstand, dass er Wahrheit von Lüge trennen kann. Ich segne deine Ohren, dass sie filtern können, was Gott dir sagt und was nicht von ihm ist. Ich segne dein Herz mit Weisheit. Der Teufel hat keinen Platz in dir.“ Ich fasse seine Schultern. „Hör zu. In der Bibel steht, der Teufel rennt rum wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen könnte. Das hast du sicher schon mal gelesen. Aber er hat keine Zähne mehr. Jesus hat ihm am Kreuz einen Zahn nach dem anderen ausgebrochen. Deswegen ist er so wütend. Vergiss das nie.“
Er nickt und redet leise vor sich hin. „Er hat keine Zähne mehr“, und: „Widersteht dem Teufel, so wird er vor euch fliehen.“ Auf einmal hebt er den Blick und lächelt mich friedlich an. „Theodorus hat recht.“
„Was sagt der eigentlich zu den russischen Brüdern?“, fällt mir ein.
„Was soll er sagen? Er hat sich gefreut, dass ich eine Gemeinschaft gefunden habe, in der ich geistig wachsen kann, weil mir das ja in der Herformde Kerk gefehlt hatte.“
„Und von den anderen Sachen hast du ihm nicht erzählt?“
„Nur wenn du weißt, was richtig ist, erkennst du das Falsche. Ansonsten suchst du den Fehler bei dir. Und solange du damit beschäftigt bist, redest du nicht mit anderen darüber.“
„Stimmt“, mache ich, denn das kenne ich nur zu gut. „Aber du wolltest mir irgendwas von Theodorus erzählen.“
„Er hat mir etwas über dich gesagt, womit er recht hat. Willst du es wissen?“
„Klar.“
„Wer einen Willem van Hoorn zum Freund hat, braucht sich vor nichts zu fürchten.“
Das ist wunderbar.
Eine Sekunde später haut es mich fast um. Theodorus hat es mir auch gesagt! Gezeigt hat er es mir! Er hat seinen verrutschten symbolischen Handkuss nicht wahllos in die Innenseite meiner Hand gesetzt, sondern er hat die Bruderschaftsnarbe geküsst! Das ist stark.
Es dauert eine weitere Sekunde, bis es mich dann tatsächlich umhaut. Bei meiner Recherche nach Bibelstellen mit Handflächen habe ich Jesaja 49,16 gelesen und nichts verstanden, weil ich nach Handküssen gesucht habe.
„Was hast du denn?“, wundert er sich.
„Schau, ich habe deinen Namen in meine Handfläche geritzt, die verwüsteten Mauern von Jerusalem habe ich ständig vor Augen“, zitiere ich.
„Klingt nach Bibel.“
„Richtig. Jesaja neunundvierzig sechzehn.“
Er nimmt seine niederländische Bibel aus dem Regal und blättert nach. „Wow“, macht er. Dann nimmt er die serbische(292) und liest noch einmal. Mit seiner russischen verfährt er ebenso. „Die einen sagen „geschrieben“, die anderen „geritzt“ und „geschnitten“. Gott hat sich geritzt, damit er sein Volk niemals vergisst. Immer, wenn ich meine Hände angucke, werde ich an meinen Schwur dir gegenüber erinnert. Und an Milan.“
„Allerdings hätten wir ja keine Narbe gebraucht, um aneinander zu denken.“
„Nein. Gott hätte auch keine Erinnerung gebraucht. Es geht um das Symbol.“
„Sag das noch mal, was Theodorus über mich gesagt hat.“
Er grinst und tut mir den Gefallen. „Wer einen Willem van Hoorn zum Freund hat, braucht sich vor nichts zu fürchten.“
„Es klingt wahnsinnig gut.“
„Es ist auch wahnsinnig gut, dich zum Freund zu haben“, lacht er.
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