1. Juni 2016

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„Aber das ist nichts besonderes, das kann hier jeder.“
Er verdreht die Augen. „Ich kann es nicht. Du sprichst zwei Sprachen, von denen ich allenfalls ein paar Wörter verstehe. Also kannst du Fremdsprachen. Okay?“
„Okay“, murmele ich.
„Zweitens. Selbst wenn du nicht serbisch, kroatisch, russisch oder was sonst sprichst, kannst du mir doch in deiner Herzenssprache Niederländisch mitteilen, dass du auch nicht zufrieden bist in der Kirche. Ich dachte ja, es wäre da alles gut für dich. Ja?“
Ich nicke. Heute kriege ich es aber mal so richtig von allen Seiten.
„Drittens. Falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte: ich hänge gerne mit dir herum. Soll ich ein paar Adressen ausfindig machen mit Gemeinden, die zu uns passen? Jeder geben wir ein Vierteljahr, um uns wohlzufühlen und wenn es uns nicht gefällt, ziehen wir weiter.“
„Aber gefällt es dir denn nicht bei den russischen Brüdern?“
Er stößt die Luft aus. „Wenn du es genau wissen willst – nein.“
„Warum nicht?“
„Sie hätten gern, wenn ich mich nach ihnen richte. Sie wollen mir zeigen, wie Gott der Vater ist – nicht wie mein Vater, aber das heißt: ich muss mich ihnen unterordnen. Ich muss werden, wie ihre Kinder auch nicht geworden sind. Was ist der Unterschied zu meinem Vater?“
„Das klang aber bisher ganz anders.“
„Mit vielen von den Alten verstehe ich mich auch gut und ich mag die Familien und sie mögen mich. Aber mit den Männern aus der Leitung gibt es immer wieder Streit. Sie lassen mich nicht am Abendmahl teilnehmen, weil ich kein Gemeindemitglied bin. Ich kann nur Mitglied werden, wenn ich getauft bin. Ich frage, wann sie mich taufen werden. Sie sagen, es ist zu früh, ich soll erst sicher werden im Glauben. Wollen sie beurteilen, ob ich nicht sicher bin? Ich frage, wann sie mich predigen lassen. Das geht nicht, sagen sie, im Glauben bin ich der Jüngste von allen. Meinetwegen, wenn ihnen das so wichtig ist! Also frage ich, wann ich eine Bibelstunde vorbereiten darf. Mein Bibelwissen reicht dafür nicht aus, sagen sie. Ich frage, ob ich wenigstens ein eigenes Lied vorstellen darf. Ich darf nicht.“
„Sie sagen dir, was du zu tun hast. Wie dein Vater.“
„Hm“, brummt er und klingt sehr unglücklich.
Nach einer Pause redet er weiter. „Und wenn ich dagegen bin, sagen sie, ich sei ungehorsam und wie könnte ich Jesus gehorsam sein, wenn ich ihnen ungehorsam bin? Aber in der Bibel steht doch, wir sollen Gott mehr gehorsam sein als den Menschen, die Reihenfolge ist genau andersherum. Als ich das gesagt habe, ist einer der Prediger richtig ausgerastet, dass ich einen Teufel in mir habe, weil ich immer dagegen bin, immer widerspreche und angeblich alles besser weiß. Ich habe mich entschuldigt und Buße getan. Ich versuche, keinen Streit auszulösen. Ich versuche, so gehorsam zu sein, wie sie es wollen. Aber du kennst mich. Es fällt mir sehr schwer. Irgendwann, wenn Theodorus und ich das Thema mit meinem Vater abgehandelt haben, wird das einfacher sein. Aber jetzt noch nicht.“
„Scheint so, dass wir uns beide was vorgemacht haben.“

Nach ein paar Minuten frage ich ungläubig nach: „Und der hat echt gesagt, du hättest einen Teufel in dir?“
Er nickt und holt Luft, um etwas zu sagen, sagt aber nichts. Nach einer Weile nimmt er den nächsten Anlauf, aber erst nach dem dritten Versuch fragt er leise: „Du hast auch gesagt, dass ich immer dagegen bin. Stimmt das? Ist es ein Teufel?“
Oh Gott!!! Er hat es tatsächlich geglaubt! Was haben diese Leute mit ihm angestellt?! Ich lege meine Hand auf seine Stirn. „In Jesus’ Namen, du hast keinen Teufel in dir.“
„Aber es ist doch–“
„Miloš, aus!“, fahre ich ihm grob in die Parade. „Du hattest nie einen und du wirst nie einen haben, verstanden? Dass du dagegen bist und widersprichst, ist keine Angelegenheit mit dem Teufel, sondern hat mit deinem Charakter und deiner Geschichte zu tun, in Jesus’ Namen sage ich es ausdrücklich, es hat nichts, nichts mit dem Teufel zu tun!“

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