Nach dem Aufstehen haben wir uns ein ausführliches Spätstück genehmigt und irgendwann später beide das Haus verlassen, aber mit unterschiedlichen Zielen. Er wollte laufen, ich zu Mommi. Erst abends bin ich wieder zuhause. Miloš hat auf dem Sofa gegammelt und gelesen, aber als ich die Küche betrete, gesellt er sich zu mir.
„Hast du gegessen?“, frage ich.
„Ja.“
„Willst du Tee?“
„Gerne. Ich habe Eelco getroffen, als ich gerade auf dem Weg nach Wilhelminakerk war.“
„Was willst du denn in Wilhelminakerk, da ist doch gar nichts los?“
„Hinlaufen. Und von da aus zurücklaufen.“
„Wie weit ist das?“
„Vierzehn Kilometer zusammen, aber das ist gerade total unwichtig. Wichtig ist, dass Eelco mich fragt, warum wir nicht mehr in den Gottesdienst kommen.“
„Aha“, mache ich. „Dass dem so was auffällt!“ Ich stelle den Wasserkessel auf die Flamme.
„Mir fällt dabei auch etwas auf. Es ist bekannt, dass ich den den Sonntagvormittag woanders verbringe. Er kann mich also nicht dort antreffen. Aber was ist mit dir? Warum trifft Eelco dich nicht mehr im Gottesdienst?“
„Weil ich da nicht mehr hingehe.“
„Warum hast du mir nichts davon erzählt? Und seit wann geht das schon so? Eelco konnte sich leider nicht daran erinnern, wann er dich zuletzt gesehen hat. Meinst du nicht, dass wir ehrlich miteinander umgehen sollten?“
„Doch, schon.“
„Und meinst du nicht, dass es peinlich für mich ist, wenn Eelco so viel mehr über meinen Freund und Mitbewohner weiß als ich?“
„So viel mehr? Jetzt übertreibst–“
Er schneidet mir mit einer Handbewegung das Wort ab. Scheint so, dass er sauer ist.
„Ich habe improvisiert, denn ich wollte uns nicht bloßstellen, aber man könnte auch sagen, ich habe ihn angelogen.“
„Tut mir leid.“
„Und jetzt mal Klartext, Bruder. Was tust du Sonntagmorgens, während ich glaube, dass du in die Kirche gehst?“
„Ich gehe in eine andere Kirche.“
„Und warum hast du mir nichts davon gesagt?“
„Weil du so begeistert warst von deinen russischen Leuten und bei mir ist es voll scheiße gelaufen und eigentlich wollte ich nie wieder hingehen, aber Grietje hat am nächsten Tag gesagt, jemand hätte seinen Platz erobert und da hab ich gedacht, vielleicht ist das prophetisch, also der Aufruf an mich, mir auch meinen Platz zu erobern.“ Das Wasser kocht und ich gieße es in die Teekanne.
Miloš tippt die Ziehzeit in die digitale Küchenuhr. „Und warum hast du mir dann nichts davon erzählt?“
Oh weh. Der ist richtig sauer – zu recht. Ich hätte es längst sagen müssen. „Weiß nicht.“
Er mustert mich.
„Es tut mir leid“, wiederhole ich.
„Ich bin dir nicht böse“, sagt er. „Ich versuche nur zu verstehen, warum du mir das verschwiegen hast.“ Plötzlich stößt er mich gegen den Arm. „Das war es in Peckovar, was ich falsch gesagt habe, ja? Ich habe die ganze Zeit überlegt, was der richtige Inhalt mit den falschen Worten gewesen ist. Ich habe mir das Gespräch wohl hundertmal vorgesagt und bin nicht drauf gekommen. Aber das war es, he? Ich habe gesagt, sie lieben dich und du hast die Herzen erobert. Falsche Worte, richtiger Inhalt. Mensch, Jeremy“, kopfschüttelnd schaut er mich an. „Jetzt sag. In welche Kirche gehst du?“
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