1. Juni 2016

529

Sie stellt sich auf die Steine.
Ich richte mich auf. „Ha“, mache ich zufrieden. „Gewonnen.“
„Wie groß bist du denn, wenn ich mal so fragen darf?“
Sie klingt verärgert, wahrscheinlich verliert sie nicht gerne. Wer verliert schon gerne?!
„Barfuß eins sechsundachtzig. Aber wenn wir fein essen gehen, werde ich ja vermutlich diese Schuhe tragen, also rechne mal mit eins achtundachtzig.“
„Also gut. Such dir ein Restaurant aus. Aber … wenn das geht“, sie hält zögernd inne. „Ich weiß ja, Männer sind eher … also, ich meine …“
Ich forme die Hände zum Gefäß und halte es ihr hin. „Sag einfach, ich sortiere später.“
Gegen ihren Willen muss sie lachen. „Ich will sagen, erträgst du es für einen Abend, aufs Fleisch zu verzichten? Ich lebe rein vegetarisch, und mein Essen würde mir nicht gut schmecken, wenn mein Gegenüber ein Tier verzehrt.“
„Ich glaube, mein letztes Tier habe ich mit drei Jahren verzehrt. Danach ist den Leuten endlich klar geworden, warum ich ständig nach dem Essen Bauchschmerzen hatte, außer ich hatte Käsebrot, Obst, Gemüse oder Süßkram gegessen. Seitdem bin ich auch Vegetarier, vor allem, weil Bauchschmerzen doof sind.“ Tiere essen, fällt mir ein – Fisch ist kein Fleisch, also sind Fische keine Tiere, oder?
„Schön“, sagt sie und verbessert sich sofort: „Also, es ist nicht schön, dass du Bauchweh hattest, aber schön, dass du seitdem keins mehr hast. Und schön, dass du auch Vegetarier bist. Aber lass uns das mit dem Restaurant ein andermal klären, mir ist nämlich inzwischen auch mit Jacke durch und durch kalt. Ich gehe wieder rein.“
Weil sie das Tablett nimmt, trage ich den Kissenstapel.

Miloš fängt mich ab. „Du warst aber lange draußen. Ganz alleine mit Nieke“, betont er.
„Wir haben uns unterhalten.“
„Halte dich bitte an die Reihenfolge. Mach erst Schluss mit Sloba.“
„Hä?!“
„Du riechst nach ihrem Parfüm!“
„Sie hatte meine Jacke an, weil ihr kalt war!“(291)
„Du brauchst dich nicht vor mir zu rechtfertigen. Ich stelle nur fest, dass sie genau in dein Helena-Beuteschema passt.“
Meint der das ernst? Vielleicht weil sie auch eine lange Mähne hat? Weil sie ihre Klamotten farblich aufeinander abstimmt? Es soll noch mehr langhaarige Frauen geben, die das tun! Davon abgesehen gibt es kein Beuteschema und auch sonst keine Gemeinsamkeiten zwischen Helena und Nieke. Zumindest sind mir noch keine aufgefallen. „Wie kommst du überhaupt drauf, dass ich was von ihr will?“
„Ich habe es nur gesagt.“
Au weia! Ich hätte es beherzigen sollen, dass man mit der Lieblingskusine des besten Freundes nichts anfängt. Oder ist er so gallig, weil ihm Lisannes Hochzeit auf die Nerven geht? Ich lasse ihn stehen und bringe die Kissen weg.


hunderteinundsechzigstes Kapitel

Die Party hat ziemlich lange gedauert – so lange, dass sogar mein Mitbewohner den Gottesdienst sausen lässt, obwohl er frei hat.
Auch die Zwaagse Straat muss heute ohne mich zurecht kommen. Nebenbei gesagt macht es nicht viel Spaß dort hinzugehen, weil ich immer noch keinen Anschluss gefunden habe. Es gibt genau drei Personen, die mich von sich aus begrüßen: Fiene, Winnie und Oleg. Die drei aus dem Putzteam. Und das, obwohl ich schon sechs Wochen lang hingehe.
Zum Glück ist es inhaltlich leicht, die Kirche zu mögen. Der Geist darf wehen, wo er will und die Ansichten über Jesus und Gott gleichen den meinen. Ich habe auch schon einige Denkanstöße mit nach Hause nehmen können.

Keine Kommentare: