Die Vordertür steht nie offen, weil ich vergessen würde sie abzuschließen, wenn ich das Haus durch den Garten verlasse und das kommt sehr häufig vor.(282)
Draußen stehen Merle und eine junge Frau, die mir sofort sympathisch ist. Sie ist deutlich größer als Merle und auch schlanker, hat einen langen und ebenso dicken blonden Zopf und trägt eine Brille. „Tag zusammen“, sage ich und lasse sie ein.
„Das ist Jeremy, das ist Nieke“, stellt Merle uns vor, und zu mir: „Ich habe Frieda besucht und von unseren musikalischen Problemen erzählt und sie hat mir Nieke vermittelt. Redet mal alleine weiter, ich muss dringend zum Klo.“
Das klärt, warum sie so zappelig ist! Ich leite Nieke ins Wohnzimmer. „Setz dich“, sage ich und weise aufs Sofa und zum Tisch hin, damit sie sich was aussucht. „Magst du was trinken?“
„Gerne. Was hast du da?“
„Wasser, Saft, Kaffee, Tee … heiße Schokolade, kalte Milch … und so.“
„Wein?“, fragt sie.
„Nein. In diesem Haushalt gibt es keinen Alkohol.“
„Dann nehme ich Wasser.“
Ich bringe die Mineralwasserflasche und zwei Sorten Saft mit zum Tisch, wo Nieke sich niedergelassen hat. Aus dem Tresen hole ich drei Gläser und finde auch noch eine Dose Gebäck. Viel ist nicht mehr drin, Miloš isst es gerne. Ich fülle es in ein Schälchen und stelle es auch auf den Tisch.
Merle betritt den Raum. „Und, wie findet ihr euch?“, will sie wissen und setzt sich zu uns.
„Was glaubst du eigentlich, wie viele Stunden du auf dem Klo warst?“, lache ich.
„Er war mit den Gastgeberpflichten beschäftigt“, sagt Nieke, „Aber ich kann ja mal mit ein paar Details anfangen. Ich bin vierunddreißig, wohne in Hoorn und arbeite in einer Pflanzengroßhandlung. In meiner letzten Band habe ich Keyboard gespielt, bin aber nicht darauf festgelegt. Was Frieda von eurer Musik erzählt hat, klingt so, als könnten wir ganz gut miteinander zurecht kommen.“
„Woher kennst du Frieda?“
„Ich bin oft in ihrem Museum gewesen, weil ich mich für historische Instrumente interessiere und irgendwann sind wir ins Gespräch gekommen. Als meine Band sich auflöste, habe ich ihr davon erzählt, allerdings nicht mit dem Hintergedanken, dass sie mich vermittelt, sondern einfach so.“
„Du sagst, du bist nicht auf Keyboard festgelegt – was kannst du noch?“
„Meine Hauptinstrumente sind Klavier und Geige. Leider ist die Geige in der normalen Rockmusik nicht besonders gefragt.“
Frieda hat sie uns wegen der Geige vermittelt, ich weiß es. „Unsere Rockmusik ist nicht besonders normal. Lisanne spielt Akkordeon. Nenn mir eine Band, die keine Gitarre und stattdessen ein Akkordeon hat.“ Ich winke ab, „Als sie uns mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist, hat sie es uns überlassen, was wir mit der Band machen. Wir sind noch zu keinem Entschluss gekommen. Ich denke, sie ist sofort wieder mit dabei, wenn ihr Zustand das zulässt.“(283)
„Okay. Da kommen wir der Angelegenheit schon näher. Würde ich mit euch spielen, wäre das also immer nur eine Sache auf Zeit. Ja?“
Ich stoße die Luft aus. „Das kann ich so nicht entscheiden. Ich hab ja noch nie mit dir zusammen Musik gemacht. Da kann ich dir nicht mal zu- oder absagen.“
Merle verscheucht meine vagen Worte mit der Hand. „Wenn wir alle super miteinander klar kommen, kann man immer noch mal drüber reden, wie es mit einer Bandvergrößerung aussieht, vor allem weil du ja ein Instrument spielst, das gut in unser Konzept passt. Und der zeitliche Rahmen ist, denke ich, ein Jahr. Nächstes Jahr um die Zeit ist das Baby alt genug, dass sie es auch mal für einen Abend beim Papa lassen kann.“
„Hast du die Geige mitgebracht?“, frage ich.
„Ja, sie ist in Merles Auto.“
„Dann fahren wir mal zum Proberaum. Nimmst du mich mit?“, wende ich mich an Merle.
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