1. Juni 2016

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hundertsechsundfünfzigstes Kapitel

„Na, wie wars in Europas wildem Südosten?“, fragt Grietje, als sie um halb acht den Gruppenraum betritt.
Ich seufze tief.
„Schön?“, fragt sie.
Ich nicke und seufze wieder.
„Oh, sogar sehr schön. Das freut mich. Wie ist denn die Familie?“
Ich kann nicht anders, ich seufze.
Grietje schaut mir prüfend ins Gesicht. „Du lächelst abwesend und das große Seufzen ist ausgebrochen. Das kann ja fast nur eins bedeuten. Wie heißt die Dame?“, will sie wissen.
„Slobodanka.“ S-L-O-B-A. Mein Slobientje.
„Herzlichen Glückwunsch, mein Lieber. Das wurde aber auch Zeit, dass du wieder eine Freundin hast“, lächelt sie. „Wie habt ihr euch gefunden?“
„Sie ist Miloš’ Kusine.“
„Eine Tochter von dem Onkel, der Geburtstag hatte?“
Ich nicke. Wie gut, dass sie sich immer alles merkt.
„Und wo wohnt sie?“
„In Köln. Außer jetzt. Bis zum Sommer noch in Banja Luka.“
„Ei. Fernbeziehung. Das ist nicht schön.“
Ich seufze tief.

Meine Schüler sind zu jung um auf die Idee zu kommen, ich sei verliebt, deswegen muss ich nicht Erdkunde unterrichten – was schade ist, da ich ja gerade zum Experten für bosnische Landesverhältnisse werde, genau sagen kann, wie viele Grenzen man zwischen hier und dort überquert, und erst mein Wortschatz! Er ist nicht länger ein Schätzchen, er füllt schon fast einen ganzen Schrank.

Nach Feierabend rufe ich Cokko an. Er will natürlich alles wissen von unserer Fahrt und ich erzähle von den Erlebnissen. Allerdings habe ich auch eine Frage: „Cokko, was kostet so ein Computer, mit dem man sich beim Telefonieren oder Tippen angucken kann?“
„Mensch, Jeremy“, lacht er, „die Frau hat dich so richtig erwischt, he? Wenn du dir sogar einen Computer für sie zulegen willst!“
„Aber nur einen zum Unterhalten.“
„Du, das ist ein ganz normaler Computer, mit dem man auch Sachen schreiben kann und Filme gucken – dann hättet ihr endlich einen Fernseher, gut, was? Jedenfalls hat er eine Kamera und ein Mikrofon und ein besonderes Programm, mit dem man chatten kann.“
„Und was kostet das?“
„Das Programm kannst du im Internet kostenlos runterladen.“
„Wie geht das? Und woher kriege ich so einen Computer?“
„Ich kümmer mich drum, großer Bruder. Wie viel Geld willst du denn ausgeben?“
„Ähm“, fällt mir auf, „ich hab gar nicht viel. Wir waren ja neulich Klamottenkaufen und eben noch in Urlaub … das ist bestimmt teuer, oder?“
„Ich seh mal zu, was ich erreiche. Ich melde mich morgen wieder. Okay?“
„Ja“, mache ich. „Danke!“

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