„Er fand meine Haare so toll. Die waren richtig lang, bis zum Arsch, und ich hab sie immer gut gepflegt. Nie gefärbt und so, damit ich keinen Spliss kriege. Aber von solchen Sachen hast du ja keine Ahnung!“ Lachend streichelt sie meine übersichtliche Frisur.
„Denkst du“, lache ich mit. „Ich war auch mal ein Langhaariger.“
„Warum hast du sie abgeschnitten?“
„Erzähl erst, warum du sie abgeschnitten hast!“
„Na, wegen Bernd. Er hat mal gesagt, das tollste an mir wären meine Haare. Ich hab sie abgeschnitten und ihm gegeben. Da hatte er dann, was er wollte. Dachte ich! Mit solider Basis hätte ich mich wahrscheinlich nicht auf ihn eingelassen.“ Plötzlich packt sie meine Arme, so wie ich eben ihre gepackt hatte, und drückt mich gegen die Rückenlehne. „Okay, Jeremy van Hoorn. Ich nehme die Herausforderung an. Ich will dich kennen lernen. Erst Basis, dann Sex. Wie weit ist es von dir zuhause nach Köln?“
„Ungefähr dreihundert Kilometer. Hast du in Köln ein Auto?“
„Nein. Aber ich kann mir eins leihen.“
„Es geht auch gut mit der Bahn. Über Amsterdam, da steigst du um nach Alkmaar–“
„Du redest wie Mama! Ich werde wohl einen Fahrplan rauskriegen, du schrecklich vernünftiger Holländer“, lacht sie und versucht mich durchzukitzeln, aber ich halte ihre Hände fest. Ihre Handgelenke sind so dünn, dass ich beide mit einer Hand packen kann. „Mijn lieve Slobientje“, knurre ich sie an. „Ich bin vielleicht schrecklich und ganz sicher ein Holländer, aber wenn ich nur einen Funken Vernunft in mir hätte, hätte ich die Finger von dir gelassen.“
„Ungefähr das hat sich dein liebes Slobientje auch schon gedacht“, stellt sie trocken fest. Dann bricht wieder Lachen aus ihr hervor. Mit ihren Armen(275) zieht sie meine Rechte zu sich und küsst auf meine Finger. „Ein Hoch auf diese Finger, die keine Vernunft kennen. Liebe Finger, wärt ihr so freundlich, mich loszulassen?“
Sie sind es. Als Gegenleistung hält sie nun meine Hände fest. Dabei findet sie die Narbe. „Was ist denn hier passiert?“
„Blutsbruderschaft ist passiert.“
„Mit wem?“
„Miloš.“
Sie prustet. „Diesen Blödsinn macht der wohl mit jedem, was?“
„Es ist kein Blödsinn. Ihm war es sehr wichtig, und weil er mein bester Freund ist, ist es mir auch wichtig. Und er macht das nicht mit jedem.“
„Nee, sondern nur mit dem bekloppten Milan und mit dir. Aber wir wissen ja jetzt, dass du auch bekloppt bist. Insofern passt es.“
„Sloba, du wirst nicht so abfällig über das reden, was mir wichtig ist.“ Um das mal gleich klarzustellen!
Sie nimmt das nicht ernst, denn sie gibbelt weiter. „Männerfreundschaft, ja?“
„Männerfreundschaft“, bestätige ich nickend.
„Mit so richtig viel Gefühl?“
„Ja.“
„Hörst du ihm auch so zu wie mir eben?“
Wenn er mir was erzählen will, „Ja.“ Je länger dieses Frage- und Antwortgespräch dauert, desto mehr weicht der Spott aus ihrer Miene. „Und sagst seine Geheimnisse keiner Menschenseele weiter?“
„Keiner Menschenseele.“
„Und meine Geheimnisse sagst du auch keinem?“
„So ist es.“
„Und wenn Schluss ist?“
„Dann auch nicht.“
„Und wenn dein Blutsbruder danach fragt?“
„Sloba. Geheimnisse bleiben Geheimnisse. Ich spreche mit Gott darüber, der kennt alle meine Geheimnisse. Aber der ist ja kein Mensch.“(276)
Sie seufzt leise und schmiegt sich an mich. „Dann find ich es gut.“
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