31. Mai 2016

499

„Nein. Nein, Jeremy, wir wären es nicht mehr. Helena hat diese Knöpfe gedrückt, wie du es sagst, und sie hat mich rasend gemacht damit. Stimmt. Aber das war nicht alles. Selbst wenn sie mir nicht vorgeschrieben hätte, was ich tun soll, hätte es nicht funktioniert. Ich kann keine Frau lieben, die meinen besten Freund verachtet.“
Verachtung ist ein hartes Wort. So kam sie mir bisher nicht vor. Und sie hätte wohl auch kaum bei mir Rat gesucht, wenn sie mich verachten würde.
„Du glaubst das nicht. Aber es ist so. Sie verachtet nicht dich als Person, sondern deine Ansichten. Deinen Glauben. Sie lästert über das, was dir wichtig ist. Und so eine Frau kann ich nicht lieben.“
Mit einem Mal kribbelt meine Haut. Kriegt er den nächsten sentimentalen Schub? Bitte nicht. Ich stehe auf und schaue mir das Panorama aus anderen Blickwinkeln an.
Miloš folgt mir. „Willst du irgendwo was essen gehen oder sollen wir gucken, was Dijana herumliegen hat?“
Puh. Er ist wieder normal.
„Ich will nichts anderes essen als was aus ihrer Küche kommt.“
„Das ist ein schönes Kompliment. Hast du genug niederländische Wörter gehört oder brauchst du noch mehr?“
„Wahrscheinlich brauche ich morgen noch mehr, aber für heute ist es genug, denke ich.“
„Gut. Wahrscheinlich ist Dijana mit Vorbereitungen beschäftigt, sie kann unsere Hilfe bestimmt gebrauchen. Falls du helfen willst.“
Wir begeben uns wieder an den Abstieg. Dabei fällt mir ein: „Habt ihr übrigens irgendwelche Geburtstagsrituale? Etwas, das ich wissen müsste?“
„Sei ganz frei und fühl dich wohl. So lieben sie dich.“
„Wie, so lieben sie mich? Die kennen mich doch gar nicht.“
Miloš hält meinen Arm fest und bleibt stehen. „Doch, Jeremy. Sie kennen dich. So schnell wie du hat in der Familie noch niemand die Herzen erobert.“
Das Kribbeln auf meiner Haut ist kein Kribbeln, sondern ein Ameisenwettrennen. Warum ist erobern hier so einfach und in der Zwaagse Straat so anstrengend? Ich will weg, aber er lässt nicht los. „Bis Milan in der Familie war, hat es ein paar Monate gedauert. Und der konnte ja die Sprache. Aber du–“
„Kannst du mich mal mit deinen Gefühlsausbrüchen in Ruhe lassen?“, fauche ich ihn an, mache meinen Arm los und flüchte talwärts.

Noch vor dem Parkplatz hat er mich eingeholt, packt meinen Arm und zerrt mich herum. „Du wirst mich jetzt nicht wie ein verschlossener Niederländer mit halben Sätzen abspeisen und den Rest habe ich vergessen. Rede mit mir.“
Aha. So fühlt sich das also an.
„Ich wollte dir eine Liebeserklärung von meiner Familie sagen und du … tja, glaubst du, dass ich dich verarschen will? Das ist nicht so, ich meine das alles ernst.“
„Es geht auch nicht um den Inhalt der Botschaft, sondern ihre Form.“
„Hä?“
„Du hast mit den falschen Worten das richtige gesagt. Aber die Worte haben etwas in mir ausgelöst, das nicht gut war.“
„Und … ähm … was hat das ausgelöst?“
„Verstehst du nicht.“
Prüfend guckt er mich an. Nach ein paar Atemzügen sagt er: „Ich glaube nicht, dass ich es nicht verstehen würde. Du willst es nicht erklären. Das ist okay.“

Als wir das Auto im Innenhof abstellen, sagt er: „Du musst es jetzt eine Weile ohne mich aushalten. Ich gehe zu meinen Eltern.“

Keine Kommentare: