31. Mai 2016

497

„Tun wir was auch immer vor oder nach dem Mittagessen?“
„Heute gibt es keins. Dragi feiert abends, da gibt es genug zu essen. Wenn es sein muss, kaufen wir uns was.“
„Kann man hier Euro umtauschen?“
„Vergiss es, du bist in der Provinz. Die EU ist ziemlich weit weg, auch wenn Slowenien schon dazu gehört. Über den Euro denken nur Geschäftsleute nach.“
„Wie soll ich mir dann was kaufen?“
Er strahlt übers ganze Gesicht. „Ich lade dich ein.“
Darauf hat er gewartet, ach, ich gönne es ihm! „Wie heißt das Geld hier?“
„Marka und Feninga.“
„Das klingt wie Mark und Pfennig, das war das Geld aus Deutschland, bevor da der Euro eingeführt wurde.“
„Klugscheißer“, grinst er. „Die D-Mark hatte hier schon immer einen stabilen Kurs.“
„Hattest du noch Reste von früher?“
„Nein, ich war in Hoorn in der Bank und habe sie umtauschen lassen. Zuhause ist der Wechselkurs besser als hier. Ich muss ja auch tanken.“
Zuhause hat er gesagt. „Du bist gut vorbereitet“, stelle ich fest.
„Überrascht dich das?“
„Nö.“

Wenig später sitze ich endlich noch mal im Auto (ich hatte es schon fast vermisst) und wir fahren bergab, über kleine Straßen, eine schmale Brücke und wieder bergauf, bis Miloš mitten in einem Waldstück anhält.
Wir steigen aus und gehen weiter in den Wald hinein. Ich komme ganz schön ins Schnaufen, denn der Weg windet sich die ganze Zeit bergauf.
„Flachländer“, grinst Miloš.
Ich will etwas erwidern, kann aber nicht. Ist das hier schon mit dieser gefährlich dünnen Höhenluft? Auf welcher Höhe über Normalnull sind wir eigentlich? Das war schrecklich in den Alpen, dauernd haben meine Ohren geknackt. Meine Güte, muss der so rennen?
Als hätte er meine Gedanken gehört, verlangsamt er seinen Schritt. Vielleicht hat er mich auch einfach angeguckt. Ich bin wahrscheinlich knallrot im Gesicht.
Vor uns beginnt sich der Wald zu lichten.
Es muss eine Straße nach hier oben geben, denn da sind Häuser gebaut.
„Scheiße“, sagt Miloš.
„Wieso, was ist denn los?“, will ich wissen.
Er winkt ab.
„Sag doch mal.“
„Ach, vergiss es.“
„Nein, werde ich nicht. Und du wirst nicht den verschlossenen Bosnier raushängen lassen, der mich mitten in der Fremde mit halben Sätzen und abwehrenden Gesten abspeist. Klar?“
Er tritt einen Stein weg, wendet sich ab, atmet ein paar Mal tief durch und dreht sich wieder zu mir um. „Sorry. Als ich das letzte Mal hier war, war hier Natur. Und ein wahnsinniger Ausblick übers Tal. Da hinten an der anderen Seite vom Tal ist Peckovar, und wenn man weiß, wohin man gucken muss, kann man auch Dragis Haus sehen. Und jetzt … jetzt haben irgendwelche neureichen Bonzen den Berg gekauft und ihre Scheiß-Villen drauf geklotzt.“
Was soll ich dazu sagen? Fünf Jahre sind fünf Jahre. In der Zeit verändert sich manches. „Na komm. Zeig mir was anderes.“
Er seufzt und macht kehrt.

Keine Kommentare: