31. Mai 2016

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Jetzt lacht er. „Theodorus ist nicht gemein. Du musst mal davon wegkommen, dass alle lieb mit dir umgehen müssen, wenn sie es gut mit dir meinen. Wenn Theodorus gemein wäre, hätte er dir nichts gesagt. Aber er meint es gut mit dir. Er mag dich. Wegen deinem Popp und Amalia, aber auch wegen dir selber. Und wenn du ihm zutraust, dass er hört, was Gott ihm sagt, kannst du auch davon ausgehen, dass er dich nicht abgefertigt hat, sondern dass er das ausgerichtet hat, was dein Problem ist.“
„Meinst du das also auch?“
„Was ich meine, ist völlig unerheblich.“
„Jetzt bist du ausgewichen. Also, was meinst du?“
„Jeremy, es ist nicht wichtig, was ich in dieser Frage denke. Das musst du klären. Mit Gott. Das ist eine Sache nur zwischen euch beiden.“
„Aber wie krieg ich denn raus, was meine Identität ist? Gott hätte mir das ja inzwischen mal sagen können, wir reden ja auch über allen möglichen sonstigen Kram.“
„Die Frage meinst du nicht ernst, oder? Wie lange gehst du mit Jesus?“


hundertfünfzigstes Kapitel

Wir sind um halb zwölf im Hotel angekommen, haben die Ordnung im Doppelbett geklärt, Miloš hat sich hingelegt und ist sofort eingeschlafen. Das war wohl dringend. Weil ich ja unterwegs zweimal geschlafen hatte, habe ich länger gebraucht, vor allem, weil er nun mal recht intensiv schnarcht. Wer findet Ruhe, wenn nebenan gesägt wird? Irgendwann habe ich versucht, das Geräusch einzukapseln, wie er es genannt hat.
Es muss geklappt haben, denn meine Nacht endet damit, dass mich jemand an der Schulter rüttelt; ich weiß nicht, wie lange das schon so geht, aber es geht noch eine Weile weiter.
„Äh“, mache ich verpennt.
„Tante Dijana sagt, ich klinge schon ganz nah. Komm schon, wach auf.“
Weil er tatsächlich ganz nah klingt, öffne ich die Augen und schaue ihm mitten ins Gesicht. Er liegt neben mir, hat den Kopf auf den angewinkelten Arm gebettet und lächelt mich an. Das eingekapselte Nebengeräusch, das sich jetzt entkapselt, ist starker Verkehrslärm.
„Hast du gut geschlafen?“
„Glaub schon.“ Die frühe Sonne scheint durchs offene Fenster (aha, deswegen ist es so laut) und bringt kalte Luft mit. „Mach das Loch da zu.“
Er robbt vom Bett und schließt das Fenster. „Ist meine Stammkundschaft zufrieden mit dem neuen Weckservice?“
„Sehr. Aber willst du vielleicht erst ein paar Runden um den Block laufen, und dann bin ich wach und wir können los?“
„Dieses Hotel hat im Keller nicht nur die Tiefgarage, sondern auch einen Fitnessraum.“
„Na, dann geh doch da mal hin“, versuche ich ihn loszuwerden.
Er grinst darüber. „Schon wieder? Ich war doch erst eine Stunde dort!“
„Eine Stunde?! Wie spät ist es denn?“
„Kurz nach acht.“

Als ich im Bad fertig bin, hat er schon alle Sachen zusammen geräumt. Wir gehen zum Frühstück und danach zum Portier, um die Schlüssel abzugeben und unsere Rechnung zu begleichen. Der begrüßt uns zweisprachig in deutsch und vielleicht kroatisch(264) und gibt Miloš ein gefaltetes Papier.
Er blättert es auf und reicht es an mich weiter. „Eine Nachricht für uns. Was steht da?“
„Wir kennen doch gar keinen in Graz“, wundere ich mich und übersetze, was ich lese: „Ich wünsche euch eine entspannte Weiterfahrt! Kommt gut an und kommt gut heim. Es war toll, euch kennen zu lernen. Lotte.“ Ich stecke das Blatt in meine Hosentasche.

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