31. Mai 2016

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„Du lässt nie locker, he?“
„Das liegt an meiner Natur. Würde er dich feuern?“
„Deine Natur ist ein komisches Ding.“
„Ich kenne komischere Dinge. Würde er dich feuern?“
„Er kann mich ja gar nicht feuern, weil ich nicht fest angestellt bin.“
„Dann würde er dir keine Termine mehr nennen. Würde er das tun, wenn du dich gegen die Grapscherei wehrst?“
Er stößt die Luft aus und gibt den Widerstand auf. „Weiß ich nicht.“
„Wen könntest du fragen, ob er das tut?“
„Keine Ahnung.“
„Du bist genau so ein armes kleines unsicheres Würstchen wie ich, he? Weißt auch nie, was die anderen von dir halten und willst, dass sie gut von dir denken.“
„Das will doch jeder, oder?“
„Ja, aber mir sagst du, ich soll mich davon lösen, weil es unwichtig ist. Wichtig ist nur, was Gott über mich denkt. Das hast du mir letzten Sommer auf Dersummeroog gesagt.“
„Stimmt“, räumt er ein. „Aber es ist schwierig. Es hängt viel davon ab, dass ich sicher aussehe. Man wird anders behandelt.“
„Wann hast du angefangen mit sicher aussehen?“
„Was ist denn das für eine komische Frage?“
Na klar. Abblocken, wenn es heikel wird. Das kennen wir ja schon. Zurück zum Thema. „Wen kannst du fragen, ob Toni dich feuert, wenn du dich nicht begrapschen lassen willst?“
Er schnauft aus. „Am ehesten Fergus.“
„Dem vertraust du?“
„Ja. Der ist wie du, er kann sich nicht verstellen. Und er ist auch ein Handwerker.“
Hat das Handwerkerdasein irgendwelche Auswirkungen auf die Persönlichkeit? Falls ja, solltest du manche Handwerker nie kennen lernen. „Dann frag ihn. Und wenn es so ist, dass Toni das akzeptiert, dann wehrst du dich beim nächsten Mal.“
„Wie soll ich das machen? Ich will keine Zicke sein.“
„Du kannst die Person höflich und bestimmt darauf hinweisen, dass ihre Hand nichts in deiner Kleidung zu suchen hat. Und du bist damit im Recht. Sogar vor dem Gesetz.“
„Dann werde ich weniger Trinkgelder bekommen.“
„Na und? Du bist nicht darauf angewiesen. Du hast einen festen Job bei Steven und Toni bucht dich so oft zum Kellnern, weil er dich mag.“
„Woher weißt du das?“
„Er hat es mir gesagt. Er kann dich nicht einschätzen und weiß nie, was du denkst, aber wenn du dich weiterhin für seine Firma engagierst, soll es nicht dein Schaden sein.“
Das hat er zu dir gesagt?“
„Wörtlich. Was hast du denn gedacht, weshalb er dich oft bucht?“
„Ich dachte, er hat sonst keinen.“
„Von wegen. Bei der russischen Hochzeit bist du ihm ans Herz gewachsen, hat er gesagt.“
„Wow“, macht er beeindruckt.

Eine Frage ist unbeantwortet geblieben. Ich hake nach: „Wann hat es angefangen, dass du aussiehst, als seist du in allem sicher?“
„Warum ist das so wichtig für dich?“
„Vielleicht kann Gott, wenn du die Geschichte aufrollst, den Fehler beheben. Solange es wichtig für dich ist, sicher auszusehen und du es gar nicht bist, kann er dir keine echte Sicherheit geben, weil du dich ja auf deine Maske verlässt.“
„Du bist nicht mein Seelsorger.“
„Das stimmt. Und das ist gut so.“

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