„Gib mir bitte eins von den kleinen Päckchen aus der Vordertasche vom Rucksack“, weist Miloš mich gewohnt präzise an.
„Was ist das?“, will ich wissen, als ich ihm das gewünschte Dings gebe.
„Ein Paar Ohrenstopfen.“
„Hast du noch mehr davon?“
„Ja, da drin. Nimm dir.“
Es ist eine Erlösung. Der Lärm wird dumpf. Auf einmal merke ich, wie müde ich bin. Mir fallen die Augen zu.
hundertneunundvierzigstes Kapitel
Ich wache auf, weil es still ist. Still und dunkel. Und kalt. Ich bin alleine im Auto, das auf einem Parkplatz steht. Ich öffne die Tür, weil der elektrische Fensterheber ohne den Zündschlüssel nicht funktioniert. Das typische Rauschen des Verkehrs fehlt, also befindet sich der Parkplatz nicht an der Autobahn. Wo sind wir? Und wo sind die anderen? Auf Melissa und ihre vierbeinige Nervensäge kann ich verzichten, aber Miloš darf gerne wieder auftauchen. Der Blick zur Uhr verrät mir, dass es kurz nach sechs ist.
Als ich die Tür zuziehe und das Türenschließgeräusch fehlt, fallen mir die Ohrstöpsel ein und ich puhle sie heraus. Auf einmal befindet sich der Parkplatz sehr wohl an der Autobahn, was ich prima hören kann, weil zugleich Miloš die Fahrertür öffnet.
Schnaufend lässt er sich in den Sitz fallen. „Da bist du ja wieder“, sagt er.
„Wie, da bin ich ja wieder? Ich war die ganze Zeit hier.“
„Ja, aber nicht wach. Du hast den Höhepunkt der bisherigen Fahrt verpasst.“
„Erzähl.“
„Ich habe die Stöpsel ziemlich schnell wieder heraus genommen. Man hört den Motor nicht und keine Sirene, kein Hupen, kein Bremsenquietschen. Also habe ich versucht, das Gekläff einzukapseln.“
„Was heißt denn das?“
„Du hast den ganzen Tag Geräusche um dich, einige sind wichtig, aber die meisten sind nicht wichtig. Die sortiert dein Gehirn aus, um sich vor Überlastung zu schützen. Mit ein bisschen Übung kannst du das steuern; bei eintönigen Geräuschen geht es besonders gut. Na ja. Ich war mäßig erfolgreich. Irgendwann packt Charly die Hundeschnauze und hält sie zu. Einfach so. Der Hund fängt an sich zu wehren, jault, sträubt sich, Melissa keift ihn an, vermutlich, dass er den Hund loslassen soll … du hast von dem ganzen Getöse nichts mitgekriegt?“, erkundigt er sich ungläubig.
„Nein.“
„Zum Glück waren da gerade Hinweisschilder für den Rasthof, also bin ich eingebogen, weil ich abwarten wollte, bis sie sich wieder beruhigt haben. Die arme Lotte, die kann ja nicht weg! Aber da ging es erst richtig los, sie rannte auf dem Parkplatz rum, er hinterher, hat ihr eine gescheuert und dem Hund auch, weil der auf einmal auch außerhalb des Autos kläffte. Da ist Melissa an die Kofferraumklappe gegangen, hat ihr Zeug genommen und ist zur Tankstelle abgedampft. Ich bin hinter ihr her, weil ich ja noch Geld von ihr kriegte, aber das hat sie natürlich überhaupt nicht eingesehen. Ich will gar nicht wissen, was sie mir an den Kopf geworfen hat. Lotte ist hinterher gekommen und hat ihr die Meinung gesagt und dann hat Melissa endlich das Geld rausgerückt.“
„Und wo sind wir hier?“
„Irgendwo mittendrin zwischen Nürnberg und Österreich.“
„Ist das gut? Ich meine, sind wir im Zeitplan?“
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