31. Mai 2016

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„Mach Musik an, wenn du willst“, sagt er während der Weiterfahrt. „Ich habe ein paar CDs ins Handschuhfach gesteckt.“
Ich klappe es auf und prüfe das Sortiment. „Nanu! Keine CD von Shakira!“, lästere ich.
„Shakira trage ich im Herzen“, gibt er grinsend zurück.
„Ob sie das zu schätzen weiß?“
„Na sicher. Was ist ein Musiker ohne Fans? Nichts. Ohne Leute wie mich hätte sie längst aufgehört mit der Musik.“
„Du solltest englisch lernen, dann kannst du sie besuchen und ihr deine Liebe gestehen. Vielleicht nimmt sie dich ja auch mit auf die Bühne. Musikalisch bist du ja.“
„Jaja, für dich ist das alles furchtbar lustig. Aber lach du nur. Ich werde mich im Herbst bei einem Sprachkurs anmelden.“
„Warum tust du das erst im Herbst?“
„Weil ich vorher noch Niederländer werden will, und ich kann mir nicht alles auf einmal leisten. Immerhin muss ich mir die Staatsbürgerschaft mit meinen jämmerlichen dreißig Prozent zusammen sparen.“
„Höre ich da Kritik an unserer Vereinbarung?“
„Überhaupt nicht!“, macht er ironisch.
„Ich habe keine Lust, mit dir übers Geld zu diskutieren. Erst recht hier, wo vielleicht doch das eine oder andere Wort in den übrigen Sprachen verständlich ist.“
„Ja“, sagt er, hat aber nicht aufgegeben, wie er kurz darauf beweist: „Sieh es bitte mal so. Wir haben zwar die gleichen Prozentsätze, insofern ist es gerecht, aber du hast mehr Geld. Aber mein Leben kostet nicht weniger als deins, insofern ist es ungerecht. Ich muss ja auch noch die Fahrerei nach Alkmaar und das Handy zahlen. Das ist kein Privatspaß, ich brauche es für die Arbeit.“
„Aber wenn es gut läuft, gehst du einmal kellnern und hast zweihundert Euro verdient! Die Chance habe ich nicht.“
„Wieso? Du könntest auch kellnern gehen.“
„Lenk nicht ab, du weißt genau, was ich meine. Außerdem hast du nicht mehr Geld, wenn ich kellnern gehe.“
„Und übrigens, wir wollten nicht streiten.“
„Jaha!“, mache ich und reiße mich zusammen. Einige Kilometern später sage ich: „Und wenn du vom Kellnergeld bis zum Sommer keine siebzig und dreißig Prozent nimmst?“
„Hä?“
„Es ist unser Konto, unser Finanzplan, unsere WG. Wir bestimmen die Gesetze. Wir sind nicht an den Prozentsatz gebunden. Also würde ich sagen, behalt das Kellnergeld, bis du den Pass hast und dann kannst du noch mal überlegen, wie du es regelst.“
Er atmet tief durch. „Und warum schlägst du mir das jetzt vor?“
„Erstens, weil ich tatsächlich keinen Streit ums Geld will. Und zweitens, weil es mir vorher nicht eingefallen ist. Drittens, warum hast du das nicht mal angesprochen?“
„Ich wollte keinen Streit ums Geld anfangen.“
„Ich scheine einen schrecklichen Ruf zu haben.“
„Ich bin harmoniebedürftig“, brummt er.
Das bringt mich zum Lachen. „Harmoniebedürftig! Du! Wie hältst du es dann immer aus, derart engagiert mit mir zu streiten?“
„Das ist meine andere Seite.“
„Gut zu wissen. Wie viele andere Seiten hast du?“
„Nur die eine.“

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