31. Mai 2016

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„Aha“, mache ich. „Um auf meine Frage zurück zu kommen, was ist das nächste Ziel?“
„Eine Autobahnraststätte namens Medenbach. Kurz vor Frankfurt.“
Ich gebe es an Lotte weiter und sie sagt: „Das war aber nicht alles, was ihr geredet habt.“
„Mein Kumpel ist ein großer Philosoph und er wundert sich über die deutsche Sprache, von der er kein Wort versteht. Das ist nämlich auch ausgleichende Gerechtigkeit. Er spricht vier Sprachen, aber eben kein Deutsch.“
„Vier!“, staunt sie, „das sind viele. Ich kann nur Englisch. Ach ja, und Deutsch natürlich.“
„Haha“, mache ich, „Englisch kann er auch nicht. Wir könnten vor seinen Ohren englische Geheimnisse austauschen und er würde nichts kapieren.“(262)
„Nanana“, brummt er. „Machst du dich über mich lustig?“
„So viel scheint er dann doch zu kapieren“, lacht sie, „Immerhin ging es jetzt um ihn.“
„Ja, aber nur weil ich zu ihm hingeguckt habe.“

Wir reden noch über dies und das, dann löst sich der Stau auf und Miloš’ Fahrweise bewirkt bei Lotte die gleiche Tiefenentspannung wie bei Merle. Nach wenigen Minuten ist hinten Stille. Leider kommen wir schlecht vom Fleck. Durch das schlechte Wetter, reichliche Baustellen, gelegentliche Unfälle und in der Nähe von großen Städten immer wieder hohe Verkehrsdichte ist an ein gleichmäßiges Fahren nicht zu denken.
Schließlich erreichen wir aber endlich den Rasthof Medenbach bei Frankfurt.
Der eine Mitfahrer wartet schon im Bistro der Tankstelle, es ist ein kleiner älterer Herr namens Jožef, der gleich ein angeregtes Gespräch mit Miloš anfängt. Scheint so, dass er auch ein Yugo ist. Von Mitfahrer Nummer zwei, Manuel, ist keine Spur. Als wir vorhin zur vereinbarten Zeit telefonierten, hat er versprochen zu warten!
Miloš gibt mir das Handy, damit ich ihn erneut anrufen kann.
Ich lausche dem Tuten, dann nimmt am anderen Ende jemand ab. „Hallo Manuel, hier ist deine Mitfahrgelegenheit. Wir sind jetzt in Medenbach angekommen. Wo bist du?“, halte ich erst mal alles ganz neutral.
„Wie, jetzt erst? Wir waren vor vierzig Minuten verabredet!“
„Ich habe unterwegs angekündigt, dass Stau ist. Wo bist du?“
„Ist doch scheißegal, oder? Ich bin schon weg, weil ihr nicht pünktlich wart.“
„Das ist kein Grund, unfreundlich zu werden. Du hättest wenigstens absagen können.“
„Leck mich, Alter!“, tönt es mir ins Ohr und die Verbindung ist beendet.
Miloš winkt ab. „Ärger dich nicht drüber. Wahrscheinlich ist es besser so. Vielleicht stinkt er, da wäre es kein Spaß gewesen, mit ihm im Auto zu sitzen.“
„Hast du das jetzt doch verstanden?“
„Man braucht nicht viel Fantasie, um so ein Telefonat zu verstehen. Jožef?“, ruft er den älteren Herrn und sagt ihm in der mir unbekannten Sprache, dass es weiter geht. Das selbe erkläre ich Lotte und unsere multilinguale Reisegesellschaft verlässt das Gebäude.
Weil Jožef deutlich älter ist als ich, überlasse ich ihm den Beifahrersitz. Er lächelt verlegen und bedeutet mir pantomimisch, dass das nicht in Frage kommt und er sich nach hinten setzen wird. Das sagt er vermutlich auch Miloš.
„Amalia hat dich ja furchtbar gut erzogen!“, lacht der. „Jožef sagt, du sollst deine langen Gräten da vorne ausbreiten. Keine Widerrede.“
„Welche Sprache ist das eigentlich, die ihr redet?“
„Slowenisch.“
Aha. Slowenisch ist eine der Sprachen, die er nur ein bisschen kann. Wieso habe ich geglaubt, dass er damit das selbe meint wie ich, wenn ich sage, dass ich eine Sprache nur ein bisschen kann?

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