31. Mai 2016

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hundertachtundvierzigstes Kapitel

Am frühen Montagnachmittag hole ich Miloš von der Arbeit ab, danach fahren wir gleich weiter nach Hoorn zur Autovermietung.
Obwohl er mir das alles auch zu Monatsanfang schon einmal erklärt hat, warum das Auto nicht geklaut werden wird und ich nicht in den Knast kommen werde, selbst wenn am Auto ein Schaden entsteht, was aber nicht der Fall sein wird, ist mir immer noch mulmig.
Miloš holt tief Luft und legt mir mit einer Engelsgeduld aus, warum die Schreckensszenarien nicht stattfinden werden. Das Auto wird, in Jesus’ Namen, nicht geklaut werden! Wir werden keine Panne haben, es wird keinen Kratzer abkriegen und wir werden auch nicht im Schnee stecken bleiben.
Der Angestellte der Verleihfirma eröffnet im Büro, dass der gebuchte Subaru E12 leider in der Werkstatt ist und uns nicht zur Verfügung steht.
Mir fällt das Herz in die Hose. Oh nein, wir können nicht nach Peckovar fahren! Ich werde nicht Tante Dijana und Onkel Dragi und die hübschen Kusinen kennen lernen! Die ganze Vorfreude war umsonst!(259)
Das begeisterte „Krass!“ meines Freundes durchbricht meine Gedanken.
„Was ist krass?“, will ich wissen.
„Hast du nicht zugehört? Wir bekommen ein anderes Fahrzeug.“
„Wie, ein anderes?“
Er ist schon aufgestanden und ich folge ihm durch die zweite Tür in eine Halle. Es sieht aus wie in einem Autohaus, nur dass sehr viele verschiedene Autos herumstehen, neue und alte, große, mittlere und kleine. Zielstrebig geht er an drei Kleinwagen vorbei und hält erst vor einem sehr wuchtigen schwarzen Kombi. Das Schild in der Frontscheibe verrät mir: es ist ein Audi A4. Meine Kenntnis von Autos verrät mir: Das Teil wird unsere Reisekasse sprengen. „Das ist nicht dein Ernst“, sage ich. „Du willst nicht diese Riesenkarre ausleihen.“
„Doch.“
„Das ist viel zu teuer!“
„Du hast die ganze Zeit nicht zugehört, was? Ich erkläre es später.“ Er nimmt den Schlüssel in Empfang, holt das Schild aus der Scheibe und gibt es dem Angestellten. Dann steigt er ein und schubst mir von innen die Beifahrertür auf.
Der Angestellte hat uns schon das Tor aufgemacht und nachdem ich endlich im Auto Platz genommen habe, fährt Miloš los. „Ist das geil!“, jubelt er vor sich hin. „Ich wollte schon immer mal so ein Geschoss fahren! Wie krass! Und keine Schaukelei im blöden E12! Danke Jesus!“
Als sich die Freude nebenan etwas legt, erinnere ich: „Dann fang mal an zu erklären.“
„Das ist ganz einfach. Der Subaru ist in der Werkstatt. Die Mietfirma weiß nicht, was wir vorhaben, aber es ist ja wahrscheinlich, dass wir nicht zu zweit fahren wollen. Sonst hätten wir kein Auto mit reichlich Sitzplätzen und Laderaum bestellt. Deswegen kann sie uns kein kleineres Auto geben als das, was wir gemietet haben. Weil sie auch keins hat, das genauso groß ist, muss sie uns ein größeres geben.“
„Aber musstest du unbedingt so eine Luxuslimousine nehmen? Die kostet doch mindestens doppelt so viel! Warum hast du keinen Kleinwagen genommen? Ist doch klar, dass sie dir ein größeres geben wollen, das sind Geschäftsleute!“
„Jeremy, reg dich ab!“, schnaubt er belustigt. „Das größere Auto geben sie uns zu dem Preis des Autos, das wir nicht bekommen. Wir fahren jetzt – wie sagst du? – eine Luxuslimousine zum Preis der japanischen Keksdose. Das ist das Tolle an diesem Vertrag. Wir müssen nicht mehr zahlen als wir gebucht haben, kriegen dafür aber viel mehr Auto. Mensch, freu dich!“
Er strahlt! Er freut sich wie ein kleiner Junge! Das habe ich lange nicht erlebt.
„Werden wir also, wenn uns kein Schnee aufhält, doppelt so schnell ankommen?“, stelle ich eine nicht besonders gewagte These in den Raum.

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