30. Mai 2016

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Als ich endlich wieder in Zuyderkerk bin, bin ich so geladen, dass jeglicher Kommentar meines Mitbewohners in einem Streit enden würde. Darauf habe ich auch keine Lust. Weil Winter ist und die Kaap Hoorn nicht zur Verfügung steht, verziehe ich mich ins Tropenklima unseres Proberaumes und reagiere mich ab. Erst als ich völlig durch bin, fahre ich heim.
Den Mitbewohner treffe ich im Bad.
„Wo warst du die ganze Zeit?“, fragt er, ohne die Zahnbürste aus dem Mund zu nehmen.
„Trommeln.“
„War gut?“
„Ja. Warum gehst du jetzt schon pennen?“
„Muss morgen früh raus.“
„Ach so.“

Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass er nicht mitbekommt, dass ich am folgenden Tag schon wieder im feinen Zwirn aus dem Haus gehe und mein Ziel nicht die Herformde Kerk ist.
Irgendwie ist das eine seltsame Angelegenheit. Ich will es ihm nicht verheimlichen, warum sollte ich das tun? Aber ich kann auch nicht so zwischen zwei Sätzen sagen, „Ach übrigens, ich habe die Kirche gewechselt“. Wahrscheinlich wird er Vergleiche anstellen. Er hat sofort Kontakte zu freundlichen Menschen gefunden, und ich? Ich bin im Putzteam gelandet. Na toll, ich wollte doch in die Anbetungsband! Ihm wäre das nicht passiert.

Ich versuche gar nicht auf den Schlagzeuger zu achten und darauf, dass er schon wieder zu spät kommt. Und dass ihm einmal sogar ein Stick aus der Hand purzelt. Ich bin wahnsinnig erfolgreich – denken Sie jetzt nicht an rosa Elefanten!
Auch meine übrigen Aufgaben misslingen an diesem Sonntag. Ich komme mit niemandem ins Gespräch und alle Leute, die ich angeblich von letzter Woche noch kenne, erkenne ich leider nicht mehr wieder. Vielleicht sind sie aber auch bloß nicht da. Fiene hat gestern gesagt, dass viele junge Leute eher in den späten Gottesdienst gehen, weil sie ausschlafen wollen. Die kommen nur morgens, wenn sie irgendwelche Dienste übernommen haben.
Zuhause steht Miloš in der Küche. Wenn man nach den Sachen geht, die er auf der Arbeitsplatte ausgebreitet hat, versucht er wohl zu backen. Rührkuchen mit Apfel.
„Wow!“, lacht er. „Wer ist dieser extrem gutaussehende Kerl? Und warum guckt er so grimmig, als würde er den nächsten fressen, der ihm einen dummen Spruch sagt?“
Reden wir lieber mal von anderen Themen. „Was tust du so früh hier?“ Ich hänge das Jackett über eine Stuhllehne.
„Ich bin nicht früh, sondern du bist spät. Und ich stehe in der Küche und tue Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. Xavier meint, wenn ich nicht kochen kann, soll ich es mal mit backen versuchen. Es gibt viele Leute, die das eine können und das andere nicht. Er hat mir ein einfaches Rezept aufgeschrieben. Was ist MSP?“
„In welchem Zusammenhang?“
Er gibt mir eine Brötchentüte, auf deren Hinterseite sich Buchstaben mit wilden Ober- und Unterlängen schnörkeln. Da er inzwischen meine Klaue zu entziffern gelernt hat, kann ihm keine Handschrift mehr Schwierigkeiten bereiten.(258)
„Aha. Das ist die Abkürzung für Messerspitze. Wann hast du Xavier denn getroffen?“
„Heute früh. Er kam vorbei und wollte mal sehen, was ich so im Angebot habe. Wir haben ein bisschen gequatscht.“
„War denn nichts los?“
„Doch, der ganz normale Andrang. Aber er hatte viel Zeit. Ist das schlimm, dass ich statt der Messerspitze Vanille einen ganzen Teelöffel voll genommen habe? Ich wollte ihn nicht deswegen anrufen und Amalia war nicht zuhause.“

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