30. Mai 2016

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„Ist das heute wieder ein Reizbar-Tag? Schießt dir gleich der Dampf aus den Ohren? Bei mir fragst du nach, bis ich alles genug erklärt habe, sodass du es verstehst, aber wenn ich mal was genauer wissen will, lässt du mich in der Luft hängen. Das kotzt mich an!“
„Ich bin halt nicht so wahnsinnig reflektiert wie du!“, schnappt er.
„Du redest Scheiße! Du bist von vorne bis hinten reflektiert und analysierst alles bis ins Kleinste, aber du bist zu feige, drüber zu reden! Es könnte ja ein Gefühl passieren, das dich überfordert!“ Ich will es nicht, aber leider werde ich immer lauter. „Ich weiß nie, woran ich mit dir bin! Erst bist du freundlich, dann fragt man nach, und dann rasselt sofort das Rollo runter und kein Mensch weiß, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist. Vorhin im Geschäft war es genau das Gleiche! Was ist denn so schlimm daran zu sagen, dass du mich beobachtet hast? Du hast gesagt, du willst in Krieg und Frieden an meiner Seite sein, aber das hier ist ein Krieg, den du mir jeden Tag neu erklärst! Es reicht! Ich ertrag es nicht länger!“ Ich renne die Treppe rauf und knalle die Tür hinter mir zu. Dann setze ich mich aufs Bett und weiß nicht, was ich machen soll. Ich wollte seinen Schwur nie gegen ihn verwenden. Und erst recht nicht das mit dem Krieg. Er wird total verletzt sein und sich wieder einmauern und alle Barrikaden, die er zusammen mit Theodorus abgebaut hatte, werden wieder aufgerichtet sein und alles war umsonst. Ich hasse mich dafür, aber es ist gesagt und passiert und zu spät.
Unten im Flur höre ich die beiden reden. Das heißt, ich verstehe nur, was Mommi sagt. Sie wehrt sich gegen etwas, das er von ihr will. „Nein, Miloš. … Nein! Vergiss es! Ich gehe jetzt nach Hause. Wenn ihr euch vertragen habt, könnt ihr zu mir kommen und die Anzüge präsentieren. Meinetwegen auch zum Abendessen. Aber dann müsst ihr euch ranhalten, ich werde nicht auf euch warten.“ Einen kurzen Moment ist es still, dann klappt die Haustür.
Die Stille dauerte so lange, wie sie braucht, um ihren Mantel anzuziehen. Die folgende Stille dauert wesentlich länger.

Irgendwann stehe ich auf und gehe runter. Vermutlich ist er auch weggegangen. Ich setze Teewasser auf.
„Jeremy.“
„Tür zu, es zieht.“
Er betritt die Küche. „Guck mich an“, bittet er.
Ich schaue auf.
„Du hast nicht gewusst, worauf du dich einlässt. Ich weiß viel von dir, weil du mich viel wissen lässt, aber du weißt wenig von mir. Wenn du willst, können wir den Schwur auflösen.“
„Baust du so Beziehung?“, fahre ich ihn an. „Schluss machen, wenn es schwierig wird? Vergiss es! Du wolltest, dass wir Blutsbrüder werden!“
„Was heißt das?“, fragt er. Scheint so, dass ihn meine Wut irritiert.
„Das heißt, dass hier überhaupt nichts aufgelöst wird! Du hast gesagt, Blutsbruderschaft ist kein Vertrag, der mit einem Stift unterschrieben wird–“
„Kannst du bitte mein T-Shirt in Ruhe lassen?“, unterbricht er.
Ich nehme meinen Finger da weg. „Und ich sag dir, es ist auch kein Vertrag, den man mal so eben auflöst, weil es schwierig wird!“
Er geht zum Küchenfenster und schaut hinaus. „Du hast recht, ich bin ein Feigling, wenn es um Gefühle geht. Vor allem, wenn es meine sind. Aber das weißt du ja auch schon alles selber. Ich wollte dir sagen, dass es mir leid tut.“
„Mir tut auch leid, was ich gesagt habe.“
„Können wir vielleicht noch mal ganz von vorne anfangen?“
„Äh … wie weit willst du zurück gehen? Ich bin der Jeremy.“
„Miloš“, stellt er sich auch vor, „aber das meinte ich nicht. Bis vor den Streit. Warum wolltest du deinen Anzug auf einmal nicht vorzeigen?“
„Weil es so ungewohnt ist. Im Geschäft war es ganz normal, anziehen, ausziehen und so. Dafür ist so ein Geschäft ja gemacht. Aber hier fühlt es sich seltsam an.“

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