Ich glaube, so schick war ich nicht mal bei meiner Examensfeier an der Pabo. Ich kann mir gar keinen Anlass vorstellen, bei dem ich diese feinen Klamotten anziehen sollte, ohne dass sie total übertrieben wirken. Laut Miloš legt sich das ja mit der Zeit, wenn ich gelernt habe, mich richtig darin zu bewegen. Hände aus den Taschen! Das dürfte die schwierigste Übung werden.
Ich versuche bei meinen Wanderungen den Mitbewohner zu entdecken, aber dieses Mal ist er der Unsichtbare. Keine Ahnung, wo er sich herumtreibt. Vielleicht ist er jetzt tatsächlich zu den Mädels gegangen. Das mit dem Wartesofa haben die Leute vom Geschäft übrigens strikt geregelt. Das Möbelstück steht in einer Ecke des Geschäfts auf einem Stück rosarotem Bodenbelag. Die begleitenden Damen werden aufgefordert, diese Fläche nicht zu verlassen. Sie haben dort alles, was sie brauchen, um eine längere Wartezeit zu überbrücken – Zeitschriften, Getränke, Snacks, selbst eine Toilette ist vorhanden! Aber zwischen den Regalen haben sie sich bitteschön nicht blicken zu lassen.
Sämtliche Damen sind selber schuld, wenn sie sich nicht an diese einfache Regel halten.
Das erste Mal seit Monaten denke ich an Helena und unsere gemeinsamen Jahre. So ein Geschäft wäre eine Herausforderung für sie gewesen. Und ich wäre sicher gerne wieder gekommen. Ich glaube, das war es, was mich am Klamottenkauf so genervt hat: ihr Diktat zu Farben, Formen, Schnitten, Stoffen, Mengen und so weiter und so fort. Sie hat mir permanent Vorschriften gemacht. Wollte mich modischer haben. Meinen Stil ändern. Mich von orange und grün abbringen. Mir ausreden, von einer passenden Hose gleich drei Stück zu nehmen. Stattdessen noch andere Modelle anprobieren.
Ich sollte auch mal die ganzen anderen Dinge ausprobieren, die ich eigentlich gar nicht mag. Vielleicht mag ich sie nur deshalb nicht, weil Helena mir mit ihrer Regulierungswut den Spaß daran verdorben hat?
„Das sieht aus, als wollten Sie die Schuhe gar nicht mehr ausziehen“, lacht Ulric.
„Stimmt“, lache ich mit. „Wo ist denn jetzt der Miloš?“
„Hier“, sagt er hinter mir.
Er sieht aus wie fast immer. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, eisblauer Schlips.
Wir haben insgesamt zwei Jacketts, zwei Hosen, zwei Paar Schuhe, zehn Paar Strümpfe, fünf Hemden, drei Krawatten und eine Fliege ausgesucht – die nimmt Miloš. Obwohl wir diverse Prozente aus Reduzierungen und einen Mengenrabatt erhalten, wird mir schwummrig, als die Rechnung erstellt wird. Miloš bittet bei einigen Teilen um separate Kassenbons, damit Toni sie bei der Versicherung einreichen kann.
Voll bepackt mit Taschen und Tüten stehen wir schließlich wieder auf der Straße. Es ist halb zwei und auf einmal merke ich, dass es anstrengend war. Ich stoße die Luft aus. „Und was machen wir jetzt?“
„Wir sollten einen trinken gehen. Kaffee zum Beispiel. Auf den Erfolg.“
„Nein“, entscheide ich mich anders. „Ich will nach Hause. Ich hab Hunger. Außerdem ist jetzt sparen dran.“
hundertvierundvierzigstes Kapitel
Für den späten Nachmittag hat sich Mommi angekündigt. Sie kommt natürlich nicht zum Plaudern. „Ich setze mich aufs Sofa und ihr zeigt mir, was ihr gekauft habt. Wie bei einer Modenschau“, legt sie fest. „Ich bin so gespannt!“
Obwohl ich den Anzug toll finde, bin ich nicht sehr angetan. Die lockere Atmosphäre, die im Geschäft herrschte, gibt es hier nicht.
Miloš zieht mich mit in den Flur. „Wir haben die Sachen nicht gekauft, damit sie im Schrank hängen“, mahnt er halblaut.
Genau diesen Spruch wollte ich nicht hören. „Aber es ist so ungewohnt!“
„Es hört nur auf, ungewohnt zu sein, wenn du dich dran gewöhnst.“
„Sehr tolle Logik.“
Er hat deutlich sichtbar keine Lust, weiter mit mir zu diskutieren. „Zieh dich um.“
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